Verfolgte Homosexuelle

geschrieben von Markus Bernhardt

5. September 2013

Kritiker des Denkmals werden ignoriert

Sept.-Okt. 2006

Gemeinsam mit Jörg Fischer hat Markus Bernhardt das Buch „Schwule Nazis – und die Rechtsentwicklung in der Schwulenszene“ geschrieben, welches voraussichtlich im Oktober 2006 im Unrast-Verlag erscheint.

In Berlin mehren sich zunehmend die kritischen Stimmen bezüglich eines bereits beschlossenen Denkmals, das an die Verfolgung von Homosexuellen zu Zeiten des deutschen Faschismus erinnern soll. Das geplante Denkmal soll genau gegenüber dem Holocaust-Mahnmal in Berlin-Mitte errichtet und zum Christopher-Street-Day (CSD) im Jahr 2007 fertiggestellt werden.

Bereits am 12. Dezember 2003 hatte der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit die Errichtung eines Denkmals beschlossen, welches an die Verfolgung von Homosexuellen im deutschen Faschismus erinnern solle. In dem damaligen Beschluss hieß es: „Mit diesem Gedenkort wollen wir die verfolgten und ermordeten Opfer ehren, die Erinnerung an das Unrecht wach halten und ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben setzen“.

Wie beschlossen, veranstalteten die Initiative „Der homosexuellen NS-Opfer gedenken“ und der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) daraufhin gemeinsam mit der Berliner Kulturverwaltung einen künstlerischen Wettbewerb zur Gestaltung des Gedenkortes, an dem sich 17 Künstler beteiligten. Nach dessen Ende verständigte sich das von einer Auswahlkommission berufene Preisgericht am 25. Januar 2006 mit großer Mehrheit auf den Denkmalsentwurf des dänisch-norwegischen Künstlerduos Michael Elmgreen und Ingar Dragset.

Der Vorsitzende der Jury, Prof. Norbert Radermacher, kommentierte den Entwurf wie folgt: „Ihre sehr klar durchdachte und selbstbewusst auftretende Skulptur nimmt ganz offensichtlich Bezug auf die Stelen des Holocaust-Denkmals von Peter Eisenman, indem sie die Grundform einer Stele – deutlich vergrößert – zu einer Art Haus werden lassen, das nun tatsächlich auch ein Inneres bekommt. Wie durch ein Fenster, das schräg in eine Ecke eingeschnitten ist, blickt der Betrachter auf ein projiziertes Filmbild. Im klassischen Schwarz / Weiß sieht er eine endlos wirkende Kussszene zwischen zwei Männern. Die von Außen eher kühl oder abweisende Betonform bekommt so einen ganz intimen Aspekt. Ohne verbale Hilfestellungen oder schriftliche Erklärungen wird hier das Thema der Homosexualität direkt und doch subtil vorgestellt.“

Während die maßgeblich aus den Reihen des LSVD stammenden schwulen Wortführer der Mahnmaldiskussion kritische Stimmen aus der Homobewegung bewusst ins Abseits drängen, konstatierten sie den politisch Verantwortlichen „ein langsames Umdenken in der Erinnerungspolitik“ bezüglich verfolgter Homosexueller, welches angeblich „mit der Rede des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag der Befreiung“ begonnen habe. Dass der Paragraph 175, nach dem Homosexuelle sowohl im Faschismus als auch unter der Regierung von Konrad Adenauer (CDU) massiver Verfolgung ausgesetzt waren, zu diesem Zeitpunkt noch immer galt, interessierte die schwulen Berufsfunktionäre dabei offensichtlich nicht weiter. Ebensowenig, wie die Kritik, die mittlerweile aus den Reihen der Homobewegung laut wird. So bezeichnete der Lesbenring, der größte Verband lesbischer Frauen in der Bundesrepublik, es als „eklatantes Defizit“, dass im Innern des Mahnmals nur ein küssendes schwules Paar, aber kein lesbisches zu sehen sein soll. Damit werde das Schicksal homosexueller lesbischer Frauen nicht ausreichend gewürdigt, so der Lesbenring.

Zuvor war das beschlossene Mahnmal bereits von linken Homo-Aktivisten kritisiert worden. Diese lehnten „die Schaffung eines nationalen Gedenkortes“, wie es der LSVD gefordert hatte, richtiger Weise konsequent ab. Schließlich darf in der Debatte nicht vergessen werden, dass Schwule mitnichten nur Opfer des faschistischen Terrorsystems waren, sondern sich wie beispielsweise der homosexuelle SA-Chef Ernst Röhm auch auf der Seite der Täter finden. Wer diesen Aspekt schwuler Geschichte nicht zu benennen bereit ist, verfälscht diese nachhaltig. Nicht uninteressant zu diskutieren wäre zudem, ob ausgerechnet der LSVD der richtige Ansprechpartner beim Thema antifaschistische Erinnerungsarbeit ist. Wurden aus diesem Verband doch wiederholt Stimmen von Funktionären laut, die der multikulturellen Gesellschaft eine Absage erteilten.