Vernichtung als Programm

geschrieben von Janka Kluge

5. September 2013

Bücher zum »Nationalsozialistischen Untergrund«

März-April 2013

Patrick Gensing »Terror von Rechts« Rotbuch Verlag, 2012

Olaf Sundermeyer »Rechter Terror in Deutschland« Beck Verlag 2012

Christian Fuchs, John Goetz »Die Zelle« Rowohlt Verlag, 2012

Markus Bernhardt »Das braune Netz« Papy Rossa, 2012

Es gab in den letzten Jahren kaum einen Skandal, der die Menschen in der Bundesrepublik so beschäftigt hat, wie die Morde des terroristischen Nazitrios »Nationalsozialistischer Untergrund«. Die meisten hätten sich die Ausmaße dieser Verbrechen vorher nicht vorstellen können. Einige Bücher versuchen nun Licht in das Dunkel zu bringen.

Der Journalist Patrick Gensing hat mit seinem Buch »Terror von Rechts« eine fundierte Analyse des rechten Terrors vorgelegt. In der ersten Hälfte des Buches beschäftigt er sich ausführlich mit den Morden der Terroristen. Er behandelt auch das Argument der Sicherheitsbehörden, dass man ja nicht von Nazis verübten Morden habe ausgehen können, da keine Bekennerschreiben vorgelegen haben. Gensing schreibt, dass in Deutschland Terror immer mit der RAF verglichen wird. »Die Linksterroristen mordeten aber nicht um zu morden. Das macht die Taten nicht weniger grausam, ist aber eine wichtige Erkenntnis, um die unterschiedlichen Arten des Terrors zu verstehen. (…) Im Rechtsextremismus ist hingegen ist die Vernichtung politisches Programm, nicht nur Mittel zum Zweck, sondern der Zweck an sich.« Er schreibt weiter: »Wer diesen Kern des Rechtsextremismus nicht sieht oder nicht erkennen will, hat diese Ideologie nicht verstanden, verkennt das tödliche Potential und hat aus der Geschichte offenbar nichts gelernt. (S.22) Gensing belegt, dass das Terror-Trio in einem Geflecht von Gleichgesinnten eingebunden war, das sie unterstützt hat.

Im zweiten Teil geht er der Frage nach, warum alle Verfassungsschutzämter und Ermittlungsbehörden so geschlossen weggeschaut und vertuscht haben. Der Thüringer Verfassungsschutz hat Schlagzeilen damit gemacht, über Jahre ein Hort der Inkompetenz gewesen zu sein. Rechte Täter wurden im Verfassungsschutzbericht lange gar nicht erwähnt, während angeblich linke Taten erfunden wurden. In diesem Klima konnte sich die Nazigruppe »Thüringer Heimatschutz«, aus dem die drei Terroristen gekommen sind, hervorragend entwickeln. Gensings Verdienst ist es, alle Stränge des Versagens der Behörden zusammenzuführen und dadurch deutlich zu machen, dass es kein Zufall, sondern im System der Behörden angelegt war.

Olaf Sundermeyer untersucht in seinem Buch »Rechter Terror in Deutschland« einen anderen Aspekt des rechten Terrors. Morde von Nazis hat es nicht erst durch den NSU gegeben. Von den Anfängen der Bundesrepublik bis heute sind sie eine oft verschwiegene Realität. Im Vorwort schreibt er: »Dieses Buch liefert eine Anatomie rechtsextremer Gewalt anhand beispielhafter Fälle, die über Jahrzehnte in Traditionslinien zusammenlaufen.« Bemerkenswert ist, dass Sundermeyer sich in einem eigenen Kapitel mit den »Autonomen Nationalisten« beschäftigt. Sie haben in Dortmund eine Hochburg und über Jahre im Stadtteil Dorstfeld versucht einen ganzen Stadtteil unter ihre Kontrolle zu bringen. »Unterstützt wurden die

›Autonomen Nationalisten‹ dabei von älteren bundesweit vernetzten gewalttätigen Neonazis.« Dortmund war einer der Städte in der Mundlos und Böhnhardt gemordet haben.

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Kapitel, in dem es um Anwälte der Nazis geht. Am Beispiel von André Picker aus Bochum schildert er die Zusammenarbeit zwischen den Anwälten und ihren Mandanten. Picker war früher selbst bei der islamfeindlichen Pro NRW aktiv. In einem Gespräch sagte Picker, dass Politik doch nichts für ihn sei, dafür konzentrierte er sich auf seine Arbeit als Anwalt. Auf Internetseiten des Nationalen Widerstands wird er, so Sundermeyer, immer wieder »Kamerad Picker« genannt.

Das Buch »Rechter Terror in Deutschland – Die Zelle« stammt von Journalisten aus dem Rechercheteam der Süddeutschen Zeitung. Die Autoren Christian Fuchs und John Goetz legen ihren Schwerpunkt auf die persönliche Entwicklung von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. Sie beschreiben die Wege der drei jungen Menschen aus Jena, die schließlich im Untergrund gelandet sind. Auch wenn sich die Geschichten ihrer Beziehungen zu den Eltern oder Großeltern manchmal hinziehen, ist auch dieser Ansatz wichtig, um zu verstehen, warum Menschen im Namen des längst untergegangen Nationalsozialismus zu morden beginnen. In dem Buch wird aber nicht nur die persönliche Geschichte und Entwicklung der drei Terroristen nachgezeichnet, sondern besser und genauer die politische Situation in Thüringen. Auch in diesem Buch wird die Beziehung der Jenaer Neonazis zu anderen Gruppen und Einzelpersonen geschildert. »Doch die Taten der Jenaer Szene und des Trios sind noch lange nicht so radikal wie die anderer Gruppen oder auch von Vorbildern wie Manfred Roeder oder Karl-Heinz Hoffmann. Aber in der Zeitung lesen die Jenaer Neonazis regelmäßig, wie andere Rechtsextreme morden. 1995 und 1996 bringen Neonazis in Deutschland 22 Menschen um.« (S.96) Ihre politische Heimat wurde der Thüringer Heimatschutz ein Zusammenschluss verschiedener Nazigruppen. Hier werden Konzerte organisiert und Schulungen durchgeführt. Gemeinsam mit anderen sind sie fast jedes Wochenende auf einer Nazidemonstration. Die Konzerte wurden unter anderem von ehemaligen Mitgliedern von »Blood & Honour« organisiert. Die Organisation von rechten Musikern wurde im Jahr 2000 in Deutschland verboten. Das Landeskriminalamt Thüringen hat noch 1998 festgestellt, dass Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt zu den führenden Aktivisten von Blood & Honour gehören. In der englischen Muttergruppe wird offen der führerlose Widerstand propagiert. Dabei handelt es sich um ein Konzept, bei dem einzelne abgeschottete, kleine Gruppen Morde und Terroranschläge verüben sollen. Bekennerschreiben sind in dem Konzept nicht vorgesehen, weil die Taten die Botschaften sein sollen. Um nicht aufzufallen haben sie sich eine kleinbürgerliche Existenz aufgebaut. »Während Mundlos und Böhnhardt trainieren, organisiert Beate Zschäpe das Leben der Zelle. Im Gegensatz zu den Männern kennen viele sie im Viertel, stets stellt sie sich als Susann oder mit ihrem Spitznamen Liese vor. Sie ist so beliebt, dass ihr Nachbar »(…) immer mal frische Gurken mitbringt und sie in der ersten Etage abgibt.«

Das Buch »Das braune Netz« von Markus Bernhardt kommt direkt aus der antifaschistischen Arbeit. Der Autor ist Mitglied der VVN. Sein Schwerpunkt liegt in der Frage wie es sein kann, dass die Terroristen des NSU so lange unentdeckt morden konnten. Was bei den anderen Autoren nur indirekt angesprochen wird ist bei ihm eine Hauptthese. Er untersucht die Verbindungen zwischen den Verfassungsschutzämtern in Thüringen und Hessen zu dem Trio. »Neben dem äußert zweifelhaft agierenden Thüringer Verfassungsschutz spielen indes besonders die Aktivitäten des bis zu seiner Suspendierung hauptamtlich für den hessischen Verfassungsschutz arbeitenden Andreas T. eine Rolle.« Er wurde wegen seiner rechten Gesinnung auch schon mal »kleiner Adolf« genannt. Nicht aufgeklärt ist die Tatsache, dass er nur wenige Minuten vor dem Mord an dem Betreiber eines Internetcafés in Kassel in dem Cafe war. Angeblich hat er dort Internetseiten seiner sexuellen Leidenschaft, von der seine Lebensgefährtin nichts wissen sollte, besucht. Die Bildzeitung hat am 17.11.2011 exklusiv gemeldet, dass er an insgesamt sechs Tatorten gesichtet worden sein soll. Dieser Meldung ist leider nicht weiter nachgegangen worden. Markus Bernhardt lenkt seinen Blick außerdem auf die Auseinandersetzung um den Extremismus. Er zeigt auf, dass für die verschiedenen Ämter des Verfassungsschutzes der Feind immer noch links steht und somit rechts nicht so genau geschaut wird. Auch wenn er für mein Empfinden manchmal über das Ziel herausgeht ist sein Buch ein guter Diskussionsbeitrag aus der antifaschistischen Bewegung.

Alle vier Bücher befassen sich mit der Rolle des Verfassungsschutzes bei der Aufklärung des rechten Terrors. Olaf Sundermeyer kommt in seinem Buch zu dem Schluss: »Eine offene und tolerante Gesellschaft, eine reife Demokratie könnte gut auf einen Verfassungsschutz verzichten, der sich in der Vergangenheit noch dazu als wirkungslos erwiesen hat.«

Den Büchern ist anzumerken, dass sich ihre Autoren seit Jahren intensiv mit rechten Gruppen auseinandersetzen. Obwohl sie im Einzelnen unterschiedliche Ansätze haben, sind sie alle zu empfehlen.