Vom »lautlosen Aufstand«

geschrieben von Hans Coppi

5. September 2013

Erinnerung an den Dramatiker und Schriftsteller Günther Weisenborn

März-April 2009

Für das Drehbuch zu dem (ersten) Film über den 20. Juli (Regie Falk Harnack) erhielt Günther Weisenborn 1955 den Bundesfilmpreis.

In der Bundesrepublik blieb er mit seinen literarischen Arbeiten weitgehend ein Außenseiter, der in schweren Tagen der VVN kameradschaftlich verbunden blieb. So gehörte er dem VVN-Verteidigungskomitee an, das sich nach dem Verbotsantrag der Bundesregierung gebildet hatte. In den siebziger Jahren vergab die WN den Günther-Weisenborn-Preis für antifaschistische Literatur.

Vor 40 Jahren, am 26. März 1969, verstarb Günther Weisenborn in Berlin. 1902 geboren, hatte er bereits mit 26 Jahren nachdrücklich auf sein dramatisches Talent aufmerksam gemacht. Das Antikriegsstück »U Boot S 4« wurde Mitte Oktober 1928 mit Heinrich George in der Hauptrolle an der Berliner Volksbühne und zugleich in Stuttgart, Oldenburg und Bonn aufgeführt. Der Sozialist, dessen Partei wie er einmal sagte, die Kultur war, näherte sich Positionen der revolutionären Arbeiterbewegung. Davon zeugen der Studentenroman »Die Barbaren«, worin er jungen Akademikern als Alternative den Weg zu der entschiedenen Linken, der KPD, aufzeigte und die mit Brecht, Eisler, Dudow und Elisabeth Hauptmann vorgenommene Dramatisierung von Gorkis »Mutter«.

SA-Studenten warfen »Die Barbaren« am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz in die Flammen. Trotz alledem, er blieb in Deutschland. Nach tiefster Depression, äußerer Not und Flucht ins Private veröffentlichte er 1935 seinen zweiten Roman »Das Mädchen von Fanö«, 1937 »Die Furie« und unter Pseudonym das erfolgreiche Stück »Die Neuberin«. Es fiel ihm immer schwerer sein »Nichteinverstandensein« literarisch zu gestalten. Nach einem sechsmonatigen Emigrationsversuch in den USA kehrte er im Herbst 1937 wieder zurück.

Kurz danach traf Günther Weisenborn an einer Bushaltestelle Harro Schulze-Boysen. Sie hatten sich 1932 bei einer Diskussion zu den »Barbaren« kennen gelernt hatte. Bei dem Angestellten im Luftfahrtministerium traf er Regimegegner, den roten Matrosen und Kommunisten Walter Küchenmeister, den Bildhauer Kurt Schumacher, die Ärztin Elfriede Paul und andere. Politische und künstlerische Diskussionen, gemeinsame Ausflüge auf den Darß, nach Liebenberg und in der Schorfheide führten sie zusammen.

Seit 1937 schwieg der Schriftsteller Günther Weisenborn. Unter Pseudonym veröffentlichte er noch Abenteuergeschichten zum Broterwerb und übernahm Filmarbeiten. 1940 gelang es ihm, eine Anstellung beim Großdeutschen Rundfunk zu finden. Bald leitete der Hitlergegner die Kulturredaktion und ab Januar 1942 die Korrespondentenzentrale. Er unterstützte seine Freunde im Widerstand und wurde mit ihnen im September 1942 verhaftet. Nach der beantragten Todesstrafe verurteilte ihn das Reichskriegsgericht zu drei Jahren Zuchthaus, die er bis zur Befreiung in Luckau verbrachte.

Mit dem im März 1946 aufgeführten Stück »Die Illegalen«, es war ein Zeitdokument und zugleich ein poetisches Mahnmal, verarbeitete er, wie später auch in dem Hörspiel »Klopfzeichen«, eigene Erfahrungen. Er wollte seinen in Plötzensee ermordeten Freunden aus der »Roten Kapelle« und den vielen namenlosen Widerstandskämpfern der »Schafottfront« ein Denkmal setzen. »Die Illegalen« gehörten zu den meist gespielten Gegenwartsstücken in den frühen Nachkriegsjahren. In dem bereits in Gestapohaft konzipierten und 1947 veröffentlichten »Memorial«, verdichten sich Episoden aus Widerstand und Haft mit seinem Leben in Freiheit. Ein insbesondere für die junge Nachkriegsgeneration wichtiges Buch.

Weisenborn trat für eine politisch verantwortliche, dezidiert antifaschistische Literatur ein. Die greise Ricarda Huch übergab ihm kurz vor ihrem Tod das von ihr zusammengetragenes Material über die vielstimmige Opposition gegen das Naziregime. Das im Jahre 1953 bei Rowohlt veröffentlichte Buch »Der lautlose Aufstand« (1962 dann auch in einer größeren Taschenbuchauflage), war eine der ersten Dokumentationen über den deutschen Widerstand in seiner erstaunlichen Vielfalt. Im Westen wurde ein Zuviel an kommunistischem Widerstand bemängelt. Aus DDR-Sicht war dieser nur unzureichend repräsentiert und entsprach nicht dem propagierten Bild von der führenden Rolle der Kommunisten im deutschen Widerstand. »Der lautlose Aufstand« erschien nicht in der DDR.

Der Röderberg-Verlag brachte 1974 »Memorial« und 1977 den »lautlosen Aufstand« erneut heraus.

Günther Weisenborn ist seit seiner Jugend für das »andere« Deutschland, für ein demokratisches und humanistisches Gemeinwesen eingetreten. Seit einigen Jahren trägt eine Straße in Leverkusen seinen Namen, und in Berlin ist an seinem früheren Wohnhaus in der Niedstraße zu seinem 100. Geburtstag eine Gedenktafel angebracht worden. Die Wiederentdeckung seines überaus reichen künstlerischen Werkes steht noch aus.