Vor großen Aufgaben

geschrieben von Cornelia Kerth

5. September 2013

Gedanken nach dem 3. Bundeskongress

Juli-Aug. 2008

Die Anzahl der vom Bundeskongress und auf der ersten Sitzung des neu konstituierten Bundesausschusses verabschiedeten Anträge macht schon deutlich, dass es viel zu tun gibt.

Unter den Beschlüssen, die den Leitantrag konkretisieren, begründen mindestens vier eine Schwerpunktsetzung, die enorme finanzielle Anstrengungen und den ganzen Einsatz unserer Mitglieder verlangt:

Eine neue Kampagne gegen Neofaschismus und für das Verbot der NPD. Es kann nicht sein, dass das Thema nach 175.000 Unterschriften an die Abgeordneten des Bundestags und mehr als 60 Prozent Zustimmung zu unserer Forderung in diversen Meinungsumfragen wieder »versandet«.

Die in zweiter Auflage wieder vorgelegte »Gedenkstättenrichtlinie« ist weniger explizit als die erste Fassung, aber strukturell durchaus ein weiterer Versuch, die Totalitarismus-Theorie als Staatsdoktrin festzuschreiben. In Zeiten, in denen die kapitalistische Wirtschaftsordnung als einzig mögliche und die ständige Verbesserung der weltweiten militärischen Interventionsfähigkeit europäische Verfassungsziele werden sollen, entscheidet die Interpretation der Geschichte mehr denn je auch über die Zukunft.

Der Angriff auf die vom Grundgesetz garantierten Bürgerrechte hat eine Qualität erreicht, die an die Notstandsgesetzgebung der 60er-Jahre heran reicht. Bundeswehreinsatz im Inneren, der »gläserne« Mensch, die Ungeheuerlichkeiten des jüngst in Bayern eingebrachten Entwurfs für ein neues Versammlungsgesetz: Antifaschisten wollen und müssen mehr als in der Vergangenheit gegen die gesetzliche Legitimierung eines drohenden autoritären Überwachungsstaates präsent sein.

Und: noch leben Opfer des Faschismus, die von Entschädigung ausgeschlossen sind. Wann, wenn nicht bevor der oder die Letzte von ihnen gestorben ist, können wir noch dafür sorgen, dass ihr Leid wenigstens symbolisch anerkannt wird? Hier muss schnell und effektiv eingegriffen werden.

Was auf dem Bundeskongress noch deutlich wurde und dringend auf die Tagesordnung muss, ist die Notwendigkeit, die Entwicklung unserer Organisation selbst voran zu bringen.

Wir haben mit der vergangenen nonpd-Kampagne bewiesen: Wir können unsere Themen in die gesellschaftliche Diskussion einbringen und unserer Position Gewicht verleihen. Aber: dazu war es notwendig nahezu alle Kräfte auf ein Thema zu konzentrieren. Jetzt haben wir vier Schwerpunkte. Wir müssen also zahlreicher werden. Wir müssen nach neuen Wegen suchen weitere Mitstreiter und Mitstreiterinnen zu gewinnen. Dort, wo wir neue Mitglieder gewonnen haben, ist es oft zufällig und von einzelnen Personen abhängig, wie sie die Organisation erleben, an welchen Diskussionen sie beteiligt werden, welche Diskussionen überhaupt stattfinden. Wir müssen überlegen, wie wir das verbessern können.

Auf dem Kongress selbst fand eindeutig zu wenig politische Diskussion statt. Debatten zu wichtigen inhaltlichen Fragen vom Verhältnis zu Israel und Palästinensern bis zu Alternativen zum »Krieg gegen den Terror« waren nicht durch Anträge vorbereitet und konnten im engen zeitlichen Rahmen der Antragsberatung nur ungenügend angesprochen werden. Grundsätzliches, wie etwa in der Debatte des letzten Kongresses um das Referat von Peter Scherer, die noch in den folgenden Ausgaben der antifa fortgeführt wurde, stand nicht auf der Tagesordnung.

Die inhaltliche Auseinandersetzung um »alte« und neue Probleme, die immer wieder erforderliche Bestimmung des Konsenses, der die Organisation trägt, die ständige Konkretisierung des Schwurs von Buchenwald für die Gegenwart, das alles muss organisiert werden. Hier sind mehr Koordination und Kommunikation zwischen den Kongressen gefragt.

Eine lebendige Organisation lebt von der Diskussion, von der Bezugnahme aufeinander, der Zusammenführung der vielen verschiedenen Aktivitäten und sie braucht die vielen verschiedenen Zugänge, die Menschen zu uns geführt haben und in Zukunft führen müssen. Daran weiter zu arbeiten, wird eine wesentliche Aufgabe der nächsten drei Jahre sein.