Warum wir weiter machen

geschrieben von Steffen Richter, Akubiz

5. September 2013

Der Kampf gegen die Extremismusklausel geht in die nächste Runde

Mai-Juni 2013

Das Alternative Kultur- und Bildungszentrum Sächsische Schweiz e.V. (AKuBiZ) ist ein Verein aus Pirna, der sich aktiv mit den Themen Rassismus und Antisemitismus auseinandersetzt.

AKuBiZ organisiert Vorträge, Seminare, Workshops, Ausstellungen (z.B. »Rechts rockt Sachsen« und »partigiani – Widerstand in Italien«), Begegnungsfahrten in Walim/Polen und Ostritz, Buchlesungen oder kleinere Konzerte. Seit dem Jahr 2008 findet jedes Jahr eine Wanderung »Auf den Spuren der Roten Bergsteiger« statt; seit 2006 der Antirassistische Fußball-Cup in der Sächsischen Schweiz und jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit ein Solikonzert für die Asylsuchenden im Landkreis. Mit den Einnahmen unterstützen wir die Arbeit der AG Asylsuchende in der Sächsischen Schweiz. Im Büro unterhält der Verein ein Presse- und Videoarchiv, das Interessierten jederzeit offen steht.

Der Verein ist Mitglied im Netzwerk Tolerantes Sachsen und wurde mehrfach von der Bundesregierung als »Botschafter der Toleranz« ausgezeichnet. 2010 sollte der AKuBiz mit dem Sächsischen Demokratiepreis ausgezeichnet werden. Aus Protest gegen die Extremismusklausel lehnte der Verein die Auszeichnung ab.

Spätestens seit der Ablehnung des Sächsischen Förderpreises für Demokratie im November 2010 ist die Auseinandersetzung um die Extremismusklausel im öffentlichen Interesse angekommen. Damals verlangte die Sächsische Staatsregierung von allen Nominierten die Unterschrift zu »Bekenntniszwang, Bespitzelung und Generalverdacht«. Ein Jahr später war es wieder AKuBiZ, die in diesem Zusammenhang für eine Diskussion sorgten. Im April 2011 beantragten wir aus den Mitteln des Lokalen Aktionsplanes (LAP), die das Bundesfamilienministerium bereitstellt und der jeweilige Landkreis verwaltet, eine Förderung über 600,00 € um einen Flyer über das ehemalige Außenlager des KZ Flossenbürg in Königstein herstellen zu können. Zwar wurde dieser Antrag bewilligt, aber nur, wenn die »Demokratieerklärung« unterzeichnet worden wäre. Da die politische Auseinandersetzung – trotz massiver Proteste – nicht zielführend war, half nur der juristische Weg. Am 25. April 2012 erklärt das Verwaltungsgericht (VG) Dresden dann die Extremismusklausel als rechtswidrig.

Was später geschah, ist lediglich aus einem juristischen Verständnis nachvollziehbar. Es kam nie zu Kritik an uns oder der Durchführung der Projekte, weder inhaltlich noch sachlich, durch die prüfenden Behörden. Die Projekte müssen also im Sinne einer Demokratieförderung gewesen sein. Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge dennoch legte am 25. Juli 2012 Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Bautzen ein. Mitten im Verfahren, am 14. September 2012, änderte das Bundesfamilienministerium die Extremismusklausel. Damit war das Urteil zu unserem Antrag mit der »alten« Extremismusklausel also aus Sicht des Gerichtes hinfällig geworden. Wir konnten danach vor dem OVG Bautzen nur noch verlieren und erklärten daher die Erledigung des Berufungsverfahrens. Damit wurde das Urteil des Amtsgerichtes zwar wirkungslos, ihm wurde aber auch nicht widersprochen.

Doch damit ist nicht das letzte Wort gesprochen. Letztes Jahr beantragten wir eine erneute Förderung zu der uns wieder eine Extremismusklausel, erst die »Alte«, dann die »Neue« vorgelegt wurde. Erneut mussten wir Klage vor dem Verwaltungsgericht Dresden eingelegen, denn auch die neue Variante stellt die Bürgerinnen unter Generalverdacht. Sie fordert einen einseitigen Bekenntniszwang zu einem Staat, dessen Institutionen mehrfach schon gegen Rechtsterrorismus versagt haben und ist ein geistiger Rollback in die 70er Jahre. Sie gehört abgeschafft und wir werden weiter mit den vielen anderen Initiativen und Vereinen gegen die Behinderung von Anti-Rechts-Projekten eintreten. Die Liste der negativen Folgen ist bereits lang. Zum einen werden Ressourcen bei der Auseinandersetzung gebunden, die dann der eigentlichen Arbeit nicht mehr zur Verfügung stehen. Weiterhin steht Vereinen der Bundesfördertopf und der sächsische Landesfördertopf (»Weltoffenes Sachsen«) für die Finanzierung ihrer Projekte nicht mehr zur Verfügung, wenn sie sich gegen eine Unterschrift unter die »Extremismusklausel« entscheiden. Das Netzwerk Demokratie und Courage Sachsen hat mindestens zehn Prozent der Ehrenamtlichen verloren und kündigt die Schließung des Leipziger Büros an. Das Landesjugendpfarramt Sachsen strich die Projektstelle »Demokratie lernen – Aufklärung gegen rechte Strategien«… Die Liste könnte fortgesetzt werden.

Für uns bedeutet Demokratiearbeit, keinem Bekenntniszwang zu unterliegen und aktiv für Menschenrechte zu streiten. In dem scheinbar harmlosen Satz »Hiermit bestätigen wir, dass wir uns zur freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen[..]« steckt eine Menge Brisanz. Denn es werden nicht nur demokratiefördernde Initiativen einer grundsätzlichen Verdächtigung ausgesetzt, eben gerade nicht demokratisch (»auf dem Boden des Grundgesetzes«) zu sein, sondern es wird darüber hinaus ein politisches Bekenntnis verlangt. Initiativen werden so zu einer bestimmten Meinung verpflichtet. So verpflichtet sich nicht vorbehaltlos den Zielen des Grundgesetzes, wer die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl (Art. 16a GG) kritisiert. Außerdem heißt es, dass wir nicht den Anschein erwecken dürfen »extremistische Strukturen« zu unterstützen. Aber ab wann erwecken wir den Anschein? Die jahrelange Unterstützung der Gegenaktivitäten zu Europas größtem Naziaufmarsch in Dresden erfüllt nach Ansicht der Behörden mit hoher Wahrscheinlichkeit diesen Punkt. Uns aber ist es ein Anliegen, dass Nazis nicht ungestört durch die Straßen laufen können, um ihre mörderischen Ideologien zu verbreiten. Insofern solidarisieren wir uns auch mit den Betroffenen der »Sächsischen Demokratie« wie z.B. Lothar König. Wir wählen unsere Partner nicht nach fragwürdigen Zuschreibungen als »extremistisch« aus. Wir stehen für Menschenrechte, Chancengleichheit und Antirassismus. Für diese Ziele werden wir uns auch in Zukunft gemeinsam mit allen, die unsere Grundsätze teilen, einsetzen.

Wir fordern Solidarität, Unabhängigkeit und eine ernst gemeinte Rückenstärkung für die Initiativen der Antirassismus- und Demokratiearbeit!