Was hinten herauskommt

geschrieben von Ernst Antoni

5. September 2013

Über öffentliche Wahrnehmung und Wachsamkeit

Nov.-Dez. 2007

Es scheint inzwischen schon so etwas wie eine geschärfte Wahrnehmung zu geben, wenn Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sich mit Material aus der Ideen-, Bilder- und Wörterkiste der Nazizeit in die Diskussion drängen. Ob TV-Frau Eva Herman oder der Kölner Kardinal Meisner: Weder die Botschaft, dass »unter Hitler« halt doch nicht alles ganz schlecht gewesen sei, noch die Warnung vor einer »entarteten« Kultur fanden mehrheitlich Zuspruch. Es hagelte vielmehr Kritik aus fast allen Richtungen. So weit, so gut. Nicht übersehen werden sollte aber, dass trotz des weit verbreiteten Unmuts über derlei »Tabubrüche« deren Urhebern doch immer wieder eines gelingt: Solchen Themen und Formulierungen öffentlichen Raum zu verschaffen. Bis hin zum Uralt-Kalauer, dass wir dem Hitler ja immerhin die Autobahnen verdanken. Dazu kommen, nicht nur in Medien, die am ganz rechten Rand der Gesellschaft zu orten sind, gerne Kommentare, die den »Tabubrechern« zwar Ungeschicklichkeit oder gar Dummheit attestieren, gleichzeitig aber bei deren Kritikern zu viel »Political Correctness« bemängeln. Weil es schließlich nicht von einem souveränen Umgang mit der Vergangenheit zeuge, wenn ständig jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werde.

Will man öffentliche Wahrnehmung und Wachsamkeit über die aktuellen medialen Turbulenzen hinaus betrachten, sollte man solche Tendenzen nicht übersehen. Und noch weniger eine weitere: Gerade jene 50er und frühen 60er, in denen NS-Verharmlosung und -Idyllisierung die Alt-BRD atmosphärisch prägten (vom aus der Nazizeit übernommenen Führungspersonal in Wirtschaft, Verwaltung, Redaktionen, Militär und Politik ganz zu schweigen), werden seit geraumer Zeit quer durch die Medien als die wirklich »guten Jahre« verklärt. Und gleichzeitig werden »die 68er« dafür geohrfeigt, dass sie sich dieser Welt der deutschen Wunder (von Bern bis zur Wirtschaft) dann nicht mehr dankbar erweisen wollten. Möglich, dass solche Geschichtsbilder bei einem jüngeren Publikum besser ankommen als die NS-Koketterien von Fernsehansagerin und Kardinal. Und: Man muss sich viel weniger vor dem Ausland und den Juden in Acht nehmen. »Wichtig«, das wusste schon Helmut Kohl, »ist das, was hinten herauskommt.«