Westerborg und Auschwitz

geschrieben von Uwe Koopmann

5. September 2013

Schüler auf den Spuren eines Leidensweges

März-April 2007

Die Bertha-von-Suttner-Gesamtschule Dormagen hat die Patenschaft für die ermordete Jüdin Fanny Bamberg-Dahl übernommen. Für sie wird am 10. Oktober ein Stolperstein in der Kölner Straße verlegt. Schülerinnen und Schüler aus dem Zusatzkurs Geschichte des 13. Jahrganges und aus der Schülervertretung unternahmen dazu eine Exkursion in das 300 Kilometer entfernte niederländische KZ-Sammellager Westerbork – für die Dormagener Jüdin eine Zwischenstation auf ihrem Leidensweg in die Gaskammern von Auschwitz.

Das Lager liegt zehn Kilometer nördlich des Dorfes Westerbork. Die Niederländer hatten es kurz vor dem Zweiten Weltkrieg als zentrales Flüchtlingslager (»Centrale Vluchtelingenkamp Westerbork«) angelegt, um die vielen jüdischen Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich aufnehmen zu können. Am 10. Mai 1940 überfielen die deutschen Truppen die Niederlande. Aus dem »Zentralen Flüchtlingslager« machten die Nazis am 1. Juli 1942 das »Polizeiliche Judendurchgangslager Kamp Westerbork«, in dem nun auch Widerstandskämpfer eingesperrt waren wie der Düsseldorfer Werner Sterzenbach. In unmittelbarer Nachbarschaft liegt heute das »Herinneringcentrum Kamp Westerbork«, die Gedenkstätte, in der wissenschaftlich geforscht wird und Besucher sich umfassend informieren können.

Judith Kazlinger und Thomas Stange von der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste führten die Schülerinnen und Schüler fundiert in die Arbeit des Hauses ein. Um die besondere Beziehung zwischen Westerbork und Dormagen zu dokumentieren, hatten sie die Lebensgeschichte von Fanny Bamber-Dahl recherchiert. Die beiden begleiteten die Jugendlichen anschließend ins Lager – mit dem Fahrrad nur wenige Minuten entfernt. Es war der Weg, auf dem die Häftlinge bis zum letzten Transport am 3. September 1944 in Viehwaggons über eine eigens angelegte Bahnverbindung vom Lager nach Hooghalen transportiert wurden, von dort über Assen, Groningen und den Grenzbahnhof Nieuweschans in die im Osten liegenden Konzentrationslager.

Vom 7. August bis 3. September 1944 war Anne Frank in dem Lager eingesperrt. Auch ihre Familie hatte – wie Fanny Bamberg-Dahl – gehofft, in den Niederlanden vor dem Zugriff der Nazis sicher zu sein. Fanny, geboren am 20.02.1887 in Dormagen als Tochter von Esther Meyer und Jacob Dahl, zog zunächst um nach Kleve, gleich an der niederländischen Grenze. Sie ging dann wahrscheinlich schon früh nach Amsterdam, wo sie heiratete und mit ihrem Mann Jakob Bamberg in der Schipbeekstraat 15 wohnte. Im »Herinneringcentrum« wird angenommen, dass Fanny 1942, im Alter von 55 Jahren, wahrscheinlich schon verwitwet war. 1942, Anne Frank lebte seit dem 6. Juli dieses Jahres in ihrem Versteck im Hinterhaus Prinsengracht 263, wurde Fanny verhaftet und am 12. September nach Westerbork verschleppt.

In dem Lager, aus dem die Nazis von 1942 bis 1944 insgesamt 107.000 Menschen deportierten und ermordeten, erinnert fast nichts mehr an die grausame Geschichte. Stacheldraht, Baracken und Wachtürme sind nur noch angedeutet. Erderhebungen markieren die verschiedenen Gebäude, unter anderem die Strafbaracke, in der die Häftlinge eingesperrt wurden, die sich nicht »freiwillig« bei der Polizei zum Abtransport gemeldet hatten. Dazu gehörte auch die Familie Frank.

Zusammen mit 901 weiteren Menschen wurde Fanny sofort am 14. September 1942 nach Auschwitz deportiert. Der Transport dauerte drei Tage. Direkt nach ihrer Ankunft wurde sie vergast.