Widerstand im Namen Gottes

geschrieben von Heinrich Fink

5. September 2013

Karl Barth zum 125. Geburtstag

Juli-Aug. 2011

»Ich kann aus eigener Erinnerung bestätigen, daß Karl Barth ohne Scheu vor persönlichem Risiko den illegalen Kampf und die konspirativen Methoden von uns Kommunisten gegen die faschistischen Usurpanten der Macht und Massenmörder in Deutschland guthieß und er seinen Glaubensbrüdern erklärte, daß die Teilnahme an diesem konspirativen Kampf gerecht und daher geboten sei.« Hans Teubner, Bewegung Freies Deutschland in der Schweiz

»Karl Barth, der Mitbegründer der Bekennenden Kirche, erwies wahrhaftig Bekennermut und schreckte vor keinen Schikanen zurück, denen er als Persona non grata im eigenen angeblich neutralen Schweizer Vaterland von den Behörden durch sein Tatchristentum, durch seinen antifaschistischen Kampf ausgesetzt war.« Wolfgang Langhoff, Autor von »Die Moorsoldaten. 13 Monate Konzentrationslager«

Zum Weiterlesen:

Friedrich-Wilhelm Marquardt, Theologie und Sozialismus, Das Beispiel Karl Barths, München 1972, ISBN 3459008040

Am 10. Mai 1886 wurde Karl Barth in Basel geboren. Theologie studierte er an mehreren deutschen Fakultäten, auch in Berlin. Schon in seiner ersten Pfarrstelle organisierte er Gewerkschaftsschutz gegen ausbeuterische Verhältnisse und hieß alsbald »roter Pfarrer«. Erschüttert über das Versagen seiner deutschen theologischen Lehrer wegen ihrer religiös-nationalen Verklärung des Ersten Weltkrieges schloss er sich bewusst den »Religiös-Sozialen« an und wurde Sozialdemokrat.

Mit seinem Buch »Römerbrief« (1919) bewies er, dass es ihm nicht länger um Religion gehe, sondern um sachgerechte, politisch verantwortliche Bibelauslegung. Barth bekam einen Ruf als Honorarprofessor nach Göttingen, gründete dort einen Kreis junger Theologen; ihre »Dialektische Theologie« veröffentlichten sie in »Zwischen den Zeiten«.

Ab 1930 als Professor in Bonn warnte er schon vor dem Nationalsozialismus und versuchte, die Kirche aus ihrer blinden leichtgläubig schweigenden Haltung aufzurütteln. Ihre Passivität sah er als bittere Frucht einer langen theologisch bedenklichen Entwicklung. Seine Zeitschrift »Theologische Existenz heute« war in der verworrenen Lage eine große Hilfe, klare Fronten zu ziehen. Mit Niemöller und Bonhoeffer gründete er die »Bekennende Kirche«, die sich von den »Deutschen Christen« öffentlich distanzierte. 1934 kam es zu der bekannten theologischen Barmer Erklärung. Dass sich Karl Barth als Gastprofessor weigerte, den Beamteneid auf Hitler zu leisten, brachte ihm ein Gerichtsverfahren und die Ausweisung ein.

Ab 1935 setzte er seinen Widerstand von Basel aus fort. Wenig bekannt ist die Tatsache, dass er beim Jubiläum der Eidgenossen 1941 die Schweiz aufforderte, »im Namen Gottes« doch endlich die unehrliche Neutralität, nämlich das Verbot aufzuheben, gegen den Faschismus zu reden und zu schreiben. Dass Karl Barth die durch die Nazis unterdrückten leidenden Völker zwecks Widerstands sogar zu den Waffen rief, hat damals viele Christen aufgeschreckt, weil jahrhundertelang nie angetastete »christlich-ethische« Grundsätze neu durchdacht werden mussten. Er, der berühmte Professor, hat außer seinen leidenschaftlichen Aufrufen als praktischen Beitrag zum Widerstand Wachdienst an der Landesgrenze der Schweiz geleistet, um sein Land einerseits vor faschistischer Infiltration zu schützen, andererseits gejagten Kommunisten und Juden, vor denen die Schweiz die Grenze verschloss, Asyl zu ermöglichen.

Nach der Konstituierung des »Nationalkomitees Freies Deutschland« in Moskau fanden sich auch in Zürich im August 1943 deutsche Antifaschisten zusammen und gründeten die Bewegung »Freies Deutschland«, um eine Einigung aller oppositionellen Kräfte zum Kampf gegen Hitler zu erreichen. So kam Karl Barth mit Wolfgang Langhoff, der bereits im August 1943 am Züricher Schauspielhaus eine Gruppe gründete, sehr bald in regen Austausch. Die Schweizer Ausländergesetze gewährten Flüchtlingen aus Deutschland Exil, aber politische Tätigkeit war den Exilanten streng untersagt, erst recht politische Zusammenarbeit mit Schweizer Bürgern. Ich möchte die Tatsache, dass Karl Barth -diese illegalen Kontakte suchte, als politische Konsequenz und Praxis seiner »Barmer Theologischen Linie« bezeichnen. Auch wenn im Februar 1945 die Legalität der »Bewegung Freies Deutschland« nahezu durchgesetzt war, war es ein großes Risiko für ihn, am 10. Februar 1945 führende Leute der Redaktion »Freies Deutschland« in seinem Haus in Basel zu einer ausführlichen Beratung zu empfangen. Aus dem Sitzungsprotokoll, das ich unter den sorgsam aufbewahrten Dokumenten in Karl Barths Akten und Briefen »in Sachen Bewegung Freies Deutschland« fand, geht hervor, dass Wolfgang Langhoff, Rudolf Singer, Heinz Mode und Hans Teubner bei ihm waren. Barths Mitarbeiterin Charlotte von Kirschbaum, selbst Deutsche und Mitglied der Bekennenden Kirche, gehörte sogar dem Präsidium an. Später befragt, wer von der Bekennenden Kirche sie denn dorthin delegiert hätte, antwortete sie: Karl Barth und die Vernunft. Obwohl kein Pazifist, rief Karl Barth 1956 auf einer Bruderschaftskonferenz in Wuppertal zum Widerstand gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands auf und schrieb wenig später einen »Brief an einen Pfarrer in der DDR«, dem er Mut machen wollte, Kirche nicht gegen, sondern im Sozialismus zu sein. Wie wenige Theologen seiner Generation durchschaute und bekämpfte er den Antikommunismus als größten Feind des Fortschritts.