Wir gehören dazu

geschrieben von Interview: Esther Broß und Paul Bauer

5. September 2013

Gespräch mit Ringo Bischoff über Antifaschismus und
Gewerkschaftsjugend

Nov.-Dez. 2007

• Wie kamst du selbst zu Antifa-Bewegung, warum setzt Du dich für die Verwirklichung des Schwur der Überlebenden des KZ Buchenwald ein?

Meine Mutter ist Jahrgang 1932. Sie hat erlebt, was passiert, wenn zu viele einfach nur wegsehen und sich nicht der Fratze des Faschismus in den Weg stellen. Von Kindheit an war ich mit diesen Erinnerungen konfrontiert und wurde dazu erzogen, meine Meinung zu sagen und nicht einfach irgendjemand zu folgen. Die ersten 14 Jahre meines Lebens erlebte ich die DDR. Sicher, der Blick war hier oft nicht wirklich objektiv und die Informationen staatlich vorgeprägt. In eine andere Richtung fand dies genauso in der ehemaligen BRD statt. Aber so genau und so intensiv konnte ich das damals noch nicht reflektieren. Trotzdem wurde ich in der DDR geprägt. Später setzte ich mich intensiv mit der jüngeren deutschen Geschichte auseinander. Insbesondere das Buch »Die zweite Schuld oder Von der Last Deutscher zu sein« von Ralph Giordano hat mich tief bewegt und mir klar gemacht, dass ich verantwortlich dafür bin, dass die Geschichte nicht in Vergessenheit gerät und sich nicht wiederholt. Das sehe ich als meine Aufgabe an und werde deshalb immer meine Stimme erheben und mich in den Weg stellen, wenn Nazis aufmarschieren und Häuser brennen.

Ringo Bischoff, Jahrgang 1975, aufgewachsen in Wismar, Ausbildung als Schweißer auf der Werft, Abitur, Ausbildung bei der Telekom Neubrandenburg als Energieelektroniker, Jugendauszubildendenvertreter, nach der Ausbildung freigestellter Jugendvertreter, 1999 DGB Nord, Jugendbildungsreferent, anschließend IG Medien Hauptvorstand. Berufschulprojekt, seit Gründung von ver.di 2001 Jugendsekretär beim ver.di Bundesvorstand, seit 2006 Bundesjugendsekretär ver.di

• Wie wurdest du Mitglied in der VVN-BdA?

Es gab schon lange eine ausgeprägte Sympathie von meiner Seite für die VVN-BdA. Aber niemand fragte mich. Doch dann kam das Antifaschistische Jugendtreffen 2005 im Statthaus Böcklerpark und da wurde ich gefragt. Einfach und direkt. Wie sollte ich da nein sagen?

• 2008 soll sich das 13. Antifaschistische Jugendtreffen der VVN-BdA konkret mit den Schwerpunkten Krieg nach außen – Krieg nach innen, Innerer Sicherheit und Schäubles Träume vom Überwachungsstaat auseinandersetzen. Sind das auch Themen, die in der Gewerkschaftsjugend diskutiert werden?

Die Freiheit stirbt mit Sicherheit – so kann man das, was momentan geschieht, beschreiben. Ich stelle nicht in Frage, dass sich die Gefahrensituation im letzten Jahrzehnt komplett verändert hat. Und natürlich muss darauf reagiert werden. Aber macht es Sinn, Menschen auszuspionieren, weil sie kritisch die Situation der Gesellschaft untersuchen und vor der Spaltung in eine abgehobene Elite und einem Prekariat warnen? Ist es richtig, Menschen als Terroristen einzustufen, weil sie Kapitalismuskritik üben? Die jüngsten Vorfälle, zum Beispiel in Sachen zerschlagenes Hakenkreuz oder Verfolgung von Wissenschaftlern, der Einsatz der Bundeswehr zur Überwachung der G-8Demonstrationen sind nur die Spitze des Einsbergs. Ich finde es wichtig, dass wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen und bewusst machen, was geschieht. In der ver.di Jugend beschäftigen wir uns auch mit diesem Thema. Unsere Aktiven, die eine Demo anmelden, Texte veröffentlichen und offen zu ihren Positionen stehen, müssen wissen, worauf sie sich einlassen.

• Seit Jahren unterstützt die ver.di Jugend die antifaschistischen Jugendtreffen der VVN-BdA. Du arbeitest aktiv im Vorbereitungsteam mit. Warum?

Das Jugendtreffen findet parallel zu verschiedenen Konferenzen im Vorfeld der Liebknecht-Luxemburg-Demo statt und spricht eine besondere Gruppe an. Jugendliche aus unterschiedlichen Zusammenhängen, mehr oder weniger stark politisiert, aber definitiv interessiert. In Verbänden organisiert oder auch aus losen Gruppen. Gerade das zeichnet das Jugendtreffen aus. Als ver.di Jugend sind wir im Betrieb immer wieder mit rassistischen, rechtsextremen und antisemitischen Vorurteilen konfrontiert. Auf dem Jugendtreffen können wir unsere Arbeit vorstellen und unsere Erfahrungen einbringen. Natürlich nutzen wir auch die Gelegenheit und stellen uns als Gewerkschaft vor.

• Im Mai 2007 fand die zweite Bundesjugendkonferenz der ver.di in Berlin statt. Die VVN-BdA Jugend war eingeladen, ihre Aktivitäten und ihre Arbeit darzustellen. Welche Signale gingen von der Bundesjugendkonferenz zum Thema Antifaschismus, Antirassismus und Antisemitismus aus?

Die Auseinandersetzung mit Faschismus, Rassismus und Antisemitismus ist in der ver.di Jugend fest verankert. Sogar so tief, dass manche Kolleginnen und Kollegen meinen, dass wir die einzigen wären, die hier aktiv sind. Manchmal ist das auch so. Aber ich sage auch ganz klar, wir reden hier nicht über Jugendsünden und deshalb darf es kein reines Jugendthema sein. Genau diese Debatte hatten wir auch auf unserer Bundesjugendkonferenz. Die 2005 erschienene Studie zu »Gewerkschaften und Rechtsextremismus« stellt die Herausforderungen deutlich dar. Deshalb werden wir den gerade im Aufbau befindlichen Arbeitskreis Antirassismus der Gesamtorganisation als Jugend aktiv unterstützen. Und natürlich spielte die Debatte um das NPD-Verbot eine Rolle. Wie schon der Gewerkschaftsrat und der Bundesjugendvorstand hat hier auch die Bundesjugendkonferenz ein klares Votum abgegeben.