Wir sind Internationalisten

geschrieben von Ulrich Schneider

5. September 2013

Die VVN als Mitglied der FIR

April-Mai 2012

Ein »Glückskind« – Kurt Julius Goldstein

Auch Orts- und Personenregister eines Buches verfügen über Aussagekraft, wie sich u. a. am Beispiel des kleinen Bandes aus dem Pahl-Rugenstein Verlag »Wir sind die letzten – fragt uns« aus dem Leben des Spanienkämpfers, Auschwitz- und Buchenwaldhäftlings Kurt-Julius Goldstein zeigt. Sechs Hinweise gibt es dort zu Dortmund, wo Kurt Goldstein 1914 geboren wurde. 81 finden sich zum faschistischen Vernichtungslager Auschwitz in das er 1942 nach seiner Teilnahme am spanischen Freiheitskampfund deportiert wurde. 36 zum KZ-Lager Buchenwald, in dem der Häftling 58866 nach fast drei¬monatigem mörderischen Todesmarsch am 19. April unter den Häftlingen war, die nach der Selbstbefreiung den Schwur von Buchenwald »Nie wieder Krieg!« Nie wieder Faschismus!« leisteten. Stationen, die in den Jahren nach der Befreiung sein Leben und Handeln prägten. »Ich bin ein Glückskind«, sagte Kurt Goldstein (trotz alledem) von sich. Seine Erfahrungen im antifaschistischen Kampf, seine Fähigkeiten, Menschen zusammen zu führen, Zuhören zu können, machten ihn sowohl in seiner neuen Heimat, der DDR, als auch grenzüberschreitend, im Internationalen Auschwitzkomitee, zum gefragten Gesprächspartner. Viele Gründe für die Internationale Förderation der Widerstandskämpfer den Internationalisten, der sich fast vollendet in den großen Weltsprachen bewegen (und in ihnen denken) konnte, 1982 in ihr Sekretariat nach Wien zu berufen. Hier wirkte er bis 1991. Am 24. September 2007 starb Kurt Julius Goldstein, inzwischen Ehrenpräsident der VVN-BdA, in Berlin.

In den faschistischen Lagern und Haftstätten entwickelte sich eine Solidarität, die im Frühjahr 1947 zur Gründung einer Dachorganisation der antifaschistischen Kämpfer FIAPP (Fédération Internationale des Anciens Prisonniers Politiques) führte. Mitglied in der FIAPP waren – so Karl Raddatz in einem Bericht für die VVN – »die Überlebenden der ruhmreichen Partisanenverbände, die an der Seite der Alliierten Armeen den Sieg über Hitlerdeutschland erkämpften, die Überlebenden der Internationalen Brigaden aus dem Freiheitskampf des spanischen Volkes, die große Zahl der illegalen Kämpfer gegen den Nazismus und schließlich alle aus religiösen und nationalen Gründen Verfolgten, die der Hölle der faschistischen Konzentrationslager und Kerker entkamen.« Im Mai 1948 wurde die VVN als vollberechtigtes Mitglieder aufgenommen. Das war zum damaligen Zeitpunkt eine politische Sensation, waren doch deutsche Organisationen aus dem internationalen Leben faktisch ausgeschlossen. Doch die Erfahrung des gemeinsamen Kampfes bis in die Konzentrationslager hinein waren die Basis für das Vertrauen, das der VVN entgegengebracht wurde. Im Sommer 1951 entstand aus der FIAPP die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (Fédération Internationale des Résistants, FIR). Sitz der Organisation war Wien. Sie sollte den politischen Vorstellungen und Visionen der Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus eine Stimme verleihen. Sie vertrat die Verfolgten in ihren sozialen und medizinischen Ansprüchen und sie arbeitete für das Andenken der Widerstandskämpfer und der illegalen Widerstandsgruppen in vielen Ländern. Zu den deutschen Delegierten des Gründungskongresses der FIR gehörte u.a. Emil Carlebach aus Frankfurt/Main, Buchenwald-Häftling und antifaschistischer Journalist. Bei vielen politischen Aktionen, bei Kongressen und Veranstaltungen traten VVN und FIR vereint auf. In Köln und Straßburg führte man Massendemonstrationen gegen faschistische Traditionspflege und Rehabilitierung der SS-Traditionsverbände durch. In Frankfurt/M. organisierten VVN und FIR eine Geschichtskonferenz über die Weitergabe der Erfahrungen an kommende Generationen. Gemeinsam demonstrierte man gegen die Berufsverbote und Naziaktivitäten in verschiedenen europäischen Ländern. Vor knapp zehn Jahren wurde auf einstimmigen Beschluss der Sitz der FIR nach Berlin verlegt. Damit übernahm die VVN-BdA eine hohe Verantwortung für die erfolgreiche Weiterführung der internationalen Arbeit der FIR, die in über 20 Ländern mit über 60 Organisationen vertreten ist. Heinz Siefritz und der Autor, beide Bundessprecher der VVN-BdA, sind seitdem als Finanzsekretär, bzw. Generalsekretär der FIR tätig.