Wunschbild und Albtraum

geschrieben von Thomas Willms

5. September 2013

Der »Krieg gegen den Terror« und die TV-Serie
»24«

März-April 2011

Die Actionserie »24« wurde in acht Staffeln à 24 Folgen von 2001 bis 2010 ausgestrahlt. Kiefer Sutherland wurde in seiner Rolle als Jack Bauer zu einem der weltweit bestbezahlten Schauspieler.

In Deutschland lief die Serie zuerst ab 2003 auf RTL2, spätere Episoden waren dann auf ProSieben, bei Premiere und zuletzt auf Kabeleins und sky zu sehen.

Ich habe »24« gern gesehen. Meine Frau hat mich darauf gebracht, wie die Serie offenbar überhaupt von Frauen gemocht wird. Vielleicht ist es die völlige Abwesenheit von Machismo im Bunker der »Counter Terrorist Unit – CTU«, die komplizierte Handlung, das dauernde Telefonieren, das innovative, aber ziemlich anstrengende Konzept mit Echtzeit (24 Stunden »live« in 24 Folgen) und Split-Screen-Technik (mehrere Perspektiven gleichzeitig in eingeblendeten kleinen Bildschirmen). Doch letztlich wird es wohl an Kiefer Sutherland liegen, der den Agenten »Jack Bauer« spielt, den tragischen Helden der Serie. Er will doch nur das Gute; für den Präsidenten, für sein Land, für Frau und Familie. Dieser gebrochene Blick, wenn ihm das mit der Familie mal wieder schief gegangen ist!

Die Filmfigur Jack Bauer gehört zu denjenigen, die das erste Jahrzehnt des Jahrhunderts weltweit geprägt haben und zwar auf ganz widersprüchliche Weise. Der linke Demokrat Kiefer Sutherland spielt eine von Republikanern und Militärs geliebte Actionfigur. Leider haben diese die Botschaft des Films aber nicht begriffen, ebenso wenig wie linke Kritiker, die hier ein Plädoyer für den Faschismus erkannt haben wollen. Berichtet wird, dass der kommandierende General der Militär-Akademie West Point im Jahr 2007 persönlich am Set auftauchte und die Bitte äußerte, man möchte doch in der Serie nicht mehr soviel foltern, das würde auf seine Soldaten abfärben. Was schon mal heißt, dass es mit dem Nachwuchs der US-Militärelite nicht weit her sein kann. Mit seinem Anliegen entsprach er allerdings exakt den Forderungen diverser Menschenrechtsgruppen.

Wenn, wie Javier Marias schreibt, zwischen Fiktion und Wirklichkeit nur eine dünne Linie besteht, kann man »24« durchaus als Repräsentation der tatsächlichen Konflikte und Widersprüche der US-Macht verstehen. Im Film wird sie (bzw. wähnt sie sich) unentwegt angegriffen. Sie reagiert hyperaggressiv und kämpft mit allen Mitteln und Ressourcen darum »die Kontrolle« zu behalten. Die imaginäre US-Antiterroreinheit »CTU« ist ein Wunschbild und – das macht den inhaltlichen Wert der Serie aus – zugleich ein Alptraum. Aufs höchste technisiert, mit entschlossenen, intelligenten und humorfreien Agenten ausgestattet und direkt an höchste Führungsebenen angeschlossen, löst diese Einheit zwar Komplotte übelster Art, zerstört sich aber dadurch letztlich selbst. Ungekannt war im Genre bis dato das Ausmaß der eigenen Verwundbarkeit, die Häufigkeit mit der Hauptfiguren und Sympathieträger nicht gerettet werden können und buchstäblich noch in letzter Minute ums Leben kommen, inklusive der Figur eines schwarzen US-Präsidenten, mit der Obama vorweggenommen wurde.

Rund um diesen Präsidenten wird eine vollkommen zerrissene US-Administration aus Beratern und Militärs vorgeführt, deren Figuren wohl zum Teuflischsten gehören, was je im Fernsehen gezeigt wurde: verlogen, verdorben, verkommen, im Bunde mit den eigentlichen Urhebern und Strippenziehern der Konflikte, den US-Ölkonzernen. Im Kampf für die Sicherheit des US-amerikanischen Volkes werden Bauer und seine Kollegen ihren Gegnern aus der Welt des Verbrechens und des Terrors immer ähnlicher. Sie wenden terroristische Methoden selbst gegen engste Freunde und Angehörige an, zerbrechen aber selbst daran. Immer und immer wieder wird die Frage thematisiert was man wann und unter welchen Umständen »tun darf«. Bauer zieht es vor zu handeln, bricht jedes Gesetz, um doch eigentlich dem Gesetz Geltung zu verschaffen.

Ganz im Geiste der klassischen Tragödie kann sich Bauer so immer nur falsch entscheiden, um dafür dann bestraft zu werden: mit dem Ausschluss aus der Gesellschaft und mit dem Verlust von allem was ihm wichtig ist.