Zum Frieden erziehen

5. September 2013

Gespräch mit Markus Gross über »Bundeswehr raus aus den
Schulen«

Mai-Juni 2012

Das Gespräch mit Markus Gross von »Bundeswehr wegtreten« und »Netzwerk Schule ohne Bundeswehr NRW« führte Regina Girod

Material stellen vor allem die verschiedenen Bündnisse zur Verfügung. Das Netzwerk in NRW hat z.B. ein Broschüre veröffentlicht mit dem schönen Titel »Es lernt sich besser ohne Helm« mit Handlungshilfen für Schüler, Lehrer und Eltern. Auch die GEW hat mittlerweile eine umfangreiche Broschüre »Einsatzgebiet Klassenzimmer« herausgegeben.

Eine gute Adresse für Flyer, Plakate und auch Aufkleber ist die DFG-VK. Viele Berichte über Aktionen gegen die Bundeswehr an Schulen, aber auch auf Bildungsmessen, am Arbeitsamt usw. findet sich zudem auf der Homepage von bundeswehr wegtreten Köln:

www.bundeswehr-wegtreten.org

antifa: Im Jahr 2008 wurde bei euch in NRW das erste Kooperationsabkommen zwischen der Bundeswehr und dem Bildungsministerium abgeschlossen, weitere Länder folgten. Worum geht es in diesen Abkommen?

M. Gross: Mit den Kooperationsabkommen, die es mittlerweile in acht Bundesländern gibt, hat sich die Bundeswehr einen privilegierten Zugang zu den Schulen, aber auch zur Aus- und Fortbildung von Lehrerinnen und Referendaren geschaffen. Die Abkommen verschaffen ihr zudem Zugang zu den Servern und den Amtsblättern der Bildungsministerien. Bei den Schülern gibt es natürlich viele Fragen, viel Diskussionsbedarf, gerade auch vor dem Hintergrund der Intensivierung der Auslandseinsätze der Bundeswehr. Die Jugendoffiziere bezeichnen sich selbst als »Öffentlichkeitsarbeiter der Bundesregierung« – sind also Propagandisten des Krieges – eines Krieges, der bekanntlich von einem großen Teil der Bevölkerung abgelehnt wird.

antifa: Wer beteiligt sich an der Initiative »Bundeswehr raus aus den Schulen« und was sind eure Hauptforderungen?

M. Gross: Es haben sich in den letzten Jahren unterschiedliche Bündnisse gegen die Bundeswehr in den Schulen gebildet. Zu unserem Bündnis »Schule ohne Bundeswehr NRW« gehören »klassische« Friedensgruppen, Antimilitaristen, aber auch Jugendorganisationen wie die SDAJ, die Linksjugend NRW oder die DGB-Jugend NRW, »Pädagoginnen für den Frieden«, auch die VVN-BdA. Sehr engagiert ist bei uns die LandesschülerInnen-Vertretung.

Wir fordern die ersatzlose Kündigung der Kooperationsvereinbarung zwischen Bildungsministerium und Bundeswehr. Wir setzen uns gegen jede Kriegspropaganda und Soldatenwerbung an den Schulen ein und fordern eine Erziehung zum Frieden und Humanismus. Die Bundeswehr hat an Schulen nichts zu suchen. Und ich würde ergänzen: Jugendoffiziere gehören abgeschafft.

antifa: Womit muss man rechnen, wenn sich ein Jugendoffizier in der Schule ankündigt?

M. Gross: Meist ist es so, dass Schülerinnen und Schüler und auch das Lehrerkollegium erst sehr spät etwas vom »Besuch« eines Jugendoffiziers mitbekommen. Es sind in der Regel einzelne Lehrer, die Jugendoffiziere in den Unterricht einladen, das ist vorher selten öffentlich. Also muss man Öffentlichkeit in der Schule und auch außerhalb schaffen gegen die Bundeswehr, Verbündete suchen, mobilisieren … Dabei wird man oft zu hören bekommen, die Bundeswehr habe ein Recht, in die Schule zu kommen, sie sei vom Grundgesetz legitimiert. Grundsätzlich wird der »Besuch« der Jugendoffiziere von den Schulen als Unterricht mit Anwesenheitspflicht behandelt. Es kann also auch Auseinandersetzungen um eine Freistellung geben – hierzu hat z.B. auch die Kindesschutz-Organisation »terres des hommes« das Muster eines »Freistellungs-.Antrags« veröffentlicht. Ob es allerdings klug ist, wenn gerade die militärkritischen Schüler und Schülerinnen nicht in der Klasse sind, wenn der Jugendoffizier kommt, muss im Einzelfall diskutiert werden. Wenn eine ganze Klasse oder Jahrgangsstufen einen solchen Antrag einreicht, wäre dies jedoch ein starkes Signal an den Lehrer, der die Bundeswehr eingeladen hat.

antifa: Wie kann man sich gegen das staatlich abgesegnete »Werben fürs Sterben« wehren? Wo kann man Material, positive Erfahrungen und Hilfe bekommen, wenn man sich beteiligen will?

M. Gross: Das wichtigste ist, finde ich, sich Verbündete zu suchen – also Mitschülerinnen, die SchülerInnenvertretung an der Schule, aber auch im Lehrerkollegium zu gucken, mit den Eltern sprechen etc. Außerhalb der Schule mit Jugendorganisationen, Friedensgruppen, die LandesschülerInnen-Vertretung informieren (zumindest in NRW). Es ist immer wieder mal geschafft worden, dass die Bundeswehr den Termin an der Schule abgesagt hat, wenn im Vorfeld viel gelaufen ist.

antifa: Kann man auch als Lehrer aktiv werden?

M. Gross: Klar – einzelne Landesverbände der Gewerkschaft GEW sind starke Verbündete. Die größten Erfolge gegen das Vordringen der Bundeswehr wurden von Lehrern und Schülern zusammen initiiert – es gibt mittlerweile mehrere Schulen, die sich zu »Bundeswehrfreien Zonen« erklärt haben, in denen die Bundeswehr also mit offiziellem Beschluss Hausverbot hat, wie z.B. die Käthe-Kollwitz-Schule in Offenbach. Es gibt die Beschlüsse verschiedener Gewerkschaftstage der GEW.

antifa: Hat sich das Auftreten der Bundeswehr verändert, seit es keine Wehrpflicht mehr gibt?

M. Gross: Sie werden geschickter. Mittlerweile haben sie ihren Internet-Auftritt massiv ausgeweitet und professionalisiert. Immer öfter gibt es Berichte darüber, dass die Jugendoffiziere in den Schulen Live-Schaltungen – Video und Telefon – direkt zum Presseoffizier in Afghanistan schalten. Da reden dann die Schüler direkt mit der Bundeswehr an der Front. Auch investiert die Bundeswehr massiv in direkte Rekrutierungswerbung im Kino, im Radio, in Printmedien wie z.B. der Bild-Zeitung, es werden Fußball-Turniere, mehrtägige Beach-Volleyball-Camps organisiert, bei denen Jugendoffiziere und Rekrutierer Hand in Hand arbeiten.