Ein Deutscher in der Résistance

geschrieben von Ulrich Schneider

9. September 2013

Peter Gingolds Lebenserinnerungen nun auch in Frankreich erschienen

Juli-Aug. 2013

Am 7. Juni 2013 erlebte das Pariser Rathaus eine besondere Veranstaltung. Die autobiographischen Erinnerungen von Peter Gingold, die in der deutschen Ausgabe im PapyRossa-Verlag bereits ihre dritte Auflage erlebt haben, wurden nun in französischer Sprache herausgegeben. Der Verlag L’Harmattan hat ihre Übersetzung unter dem Titel »Jamais résignés« (Niemals resigniert) in seiner profilierten Biographien-Reihe veröffentlicht. Aus diesem Anlass lud der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë zu einem Empfang in den Festsaal des Rathauses – und 200 Gäste aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft folgten der Einladung. Natürlich waren die Mitglieder der Familie Gingold anwesend, die Freunde der Familie und Übersetzer des Buches, aber auch Vertreter großer historischer Institute und wissenschaftlicher Einrichtungen – unter ihnen die Leiterin des Maison Heinrich Heine, Professoren der Pariser Universitäten und der Vertreter des deutsch-französischen Jugendwerks – waren unter den Gästen gemeinsam mit Vertretern von Veteranenverbänden und antifaschistischen Organisationen, die mit der FIR verbunden sind.

In verschiedenen Ansprachen wurden Peter Gingold und seine Aufzeichnungen gewürdigt. Sein Bruder Siegmund und seine Tochter Alice sprachen aus der Sicht der Familie, Anne Jollet, verantwortliche Herausgeberin der Fachzeitschrift Cahiers d’histoire, formulierte Grundfragen der Geschichtspolitik und des Umgangs mit der Geschichte der Arbeiterbewegung und des antifaschistischen Kampfes. Als Bundessprecher der VVN-BdA und Generalsekretär der FIR betonte ich die Bedeutung des Internationalismus in Peters Selbstverständnis und die Bedeutung der Vermächtnisse der Zeitzeugen für die nachgeborenen Generationen. Claude Pennetier, Historiker und Leiter eines Projekts eines biographischen Lexikons der Arbeiterbewegung, unterstrich die große Bedeutung der Zeitzeugen. Der Konservator des nationalen Museums des Widerstandskampfes Guy Krivopissko erinnerte an weitere Deutsche in der Resistance und betonte, wie wichtig die Erinnerung an den antifaschistischen Kampf auch in Frankreich ist, während Maurice Clinq als Vertreter der FNDIRP bewegend erzählte, wie er als Vertreter der FNDIRP und Peter Gingold für die VVN gemeinsam in antifaschistischen Projekten Jugendlichen die historischen Erfahrungen des Widerstands weitergeben konnten. Ein beeindruckender Moment war, als Siegmund Gingold den Mord an einem jungen Antifaschisten wenige Tage zuvor in Paris leidenschaftlich verurteilte und sich die gesamte Versammlung ihm zu Ehren zu einer Schweigeminute erhob.

Nach den Reden folgte noch eine kurze Aussprache, in der unter anderem an das Berufsverbot für Silvia Gingold erinnert wurde. Silvia nutzte die Gelegenheit, den französischen Freunden noch einmal für die erwiesene Solidarität zu danken. Für ungläubiges Staunen hatte bereits Alice gesorgt, als sie in ihrem Beitrag darauf aufmerksam machte, dass der hessische Verfassungsschutz über Silvia Gingold schon allein deshalb »Erkenntnisse« unter der Überschrift »Linksradikalismus« sammele, weil sie mit einem »führenden Funktionär der VVN-BdA« eine Lesereise mit dem Buch von Peter Gingold durch Bayern gemacht habe. (siehe unser Beitrag auf Seite 6)

Erfreulich und erstaunlich war daher aus bundesdeutscher Perspektive das völlig unverkrampfte Verhältnis aller Redner einschließlich des Vertreters des Pariser Bürgermeisters gegenüber einem deutschen kommunistischen Widerstandskämpfer. In Frankreich jedenfalls bleibt Peter Gingold eine anerkannte Persönlichkeit und dank des Buches auch weiter unvergessen.