Dresdens politische Justiz

geschrieben von der Berliner Soligruppe Dresden Nazifrei

11. September 2013

Zur Einstellung des Verfahrens gegen Lothar König

 

In dem sehr konservativen Ensemble der Staatsorgane aus Ordnungsamt, Justiz, Polizei und Verwaltung in Sachsen wurde gegenüber dem regelmäßigen Aufmarsch der extremen Rechten zum Jahrestag der alliierten Bombardierung Dresdens stets ein hohes Maß an Kooperation aufgebracht. Im Gegensatz zu anderen Städten wurde Protest behindert und dem Aufmarsch der Weg durch die attraktivsten Routen der Innenstadt geebnet. Der Naziaufmarsch schien als Teil der jährlichen Trauerfeierlichkeiten akzeptiert und die Teilnehmerzahlen stiegen bis auf ca. 7000 Personen an. Im Gegensatz zu dem freundlichen Empfang der Nazis durch den Staatsapparat wurde gegenüber den Gegenprotesten stets eine »harte Linie gefahren«. Eine Antifa-Demo von »no Pasaran« wurde 2009 genau so wie das »geh denken« Bündnis durch Spezialeinheiten in Schach gehalten und weitab der Naziroute abgedrängt. Mit dem Start des Bündnis »Dresden nazifrei« und dem öffentlichen Aufruf zu zivilem Ungehorsam durch Massenblockaden begann eine Welle von Repressionen, die 2011 durch Razzien in vielen Einrichtungen, massenhafte Funkzellenabfragen, politisch motivierte Strafverfahren gegen Politikerinnen (vor allem der Linken) und dem Einsatz von Drohnen, Wasserwerfern bei Minusgraden und Pepperball-Gewehren ihren Höhepunkt fand.

Die sächsische Justiz und Polizei geriet bundesweit in die Kritik und der Begriff der »sächsischen Demokratie« wurde zum Ausdruck einer weit verbreiteten Ablehnung der rigiden Ordnungspolitik gegen die zivilgesellschaftlichen Akteure. Im Nachgang der Auseinandersetzungen am 19. Februar 2011 gründete sich eine Sonderkommission der Polizei, die bis heute mit der Auswertung der gesammelten Daten beschäftigt ist und eine Vielzahl an Ermittlungsverfahren gegen Blockiererinnen und andere Antifaschisten initiierte. Viele Anklagen sind in sich zusammengebrochen, einige Blockierer wurden zu niedrigen Strafen verurteilt. Um die Proteste in der Öffentlichkeit zu diskreditieren und ein Exempel zu statuieren, wurden in diesem Jahr zwei Prozesse geführt, bei denen es sich um vermeintliche »Rädelsführer« handelte und die für einiges Aufsehen gesorgt haben.

Ende Januar, pünktlich zur Mobilisierung für die Proteste im Februar, wurde das Urteil im Prozess gegen Tim H. verkündet: 22 Monate Haft. Trotz der entlastenden Aussage eines Anwohners und keiner Identifizierung durch geladene Polizisten, sah es das Gericht als erwiesen an, dass sich Tim als sogenannter Rädelsführer des schweren Landfriedensbruchs strafbar gemacht hat. Dass es dem Gericht dabei nicht um die Aufklärung einer vermeintlichen Straftat, sonder die Kriminalisierung antifaschistischen Engagements ging, wurde schon während der Verhandlungen sichtbar und durch das Urteil bestätigt. Tim und sein Anwalt sind in Berufung gegangen. Die Verhandlung in zweiter Instanz wird frühestens im Herbst diesen Jahres beginnen. Der Prozess gegen den Jenaer Stadtjugenpfarrer Lothar König war von vornherein durch eine unkorrekte Arbeit der Staatsanwaltschaft gekennzeichnet und verkam mit jedem Verhandlungstag mehr zu einer Farce.

Ursprünglich sollte der Prozess am 14. März starten. Doch ein Zufallsfund von rund 100 Seiten Material und Aussagen, die bis zu diesem Zeitpunkt zwar dem Gericht vorlagen, aber nicht an die Verteidigung weitergegeben wurden, führte zu einer Vertagung des Prozessauftaktes auf den 04. April 2013.

Die Schlampereien zogen sich konsequent durch den ganzen Prozess. Zeugenaussagen lagen nicht schriftlich vor. Teilweise waren sie vom Wortlaut identisch, eine Absprache wurde jedoch verneint. Ein Einsatzleiter einer Berliner Einsatzhundertschaft behauptete, nichts von Videoaufnahmen zu wissen, obwohl seine Einheit sie erstellt hatte.

Ein Zusammenschnitt von Videoaufnahmen, der als Beweis gezeigt wurde, wurde teilweise falsch transkribiert und Lothar König so Worte in den Mund gelegt, die er nie gesagt hat. Der Zusammenschnitt des Videoteams der Polizei, mittlerweile als die »Fälscherwerkstatt« (Rechtsanwalt Eisenberg) bekannt, enthielt nur Szenen, die die Anklage stützten. Entlastenden Aufnahmen wurden unterschlagen.

Der politisch motivierte Verurteilungswille und der manipulative und schlampige Umgang mit Beweismaterialien sind das Kennzeichen der sächsischen Justiz. Die beiden angesprochenen Fälle sind nur ein krasses Symptom der obrigkeitsstaatlichen Ausrichtung der Staatsapparate in Sachsen. Während Antifaschistinnen mit der »vollen Härte des Gesetzes« rechnen und sich »die Taten anderer anrechnen lassen« werden gewalttätige Nazibanden häufig mit Nachsicht betrachtet. Durch öffentlichen Druck gelang es im Fall Lothar König, dieses Vorgehen vorerst zu durchkreuzen, nun kommt es darauf an, Tim bei seinem Berufungsprozess zu unterstützen.