In der »Columbiahölle«

geschrieben von Martin Schirdewan

11. September 2013

Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand erinnert an das frühe KZ

»Warum schweigt die Welt?!« Unter diesem titelgebenden Zitat von Berthold Jacob eröffnete die Gedenkstätte Deutscher Widerstand am 19. Juli 2013 eine Ausstellung, die über das Columbia-Haus und die in diesem Konzentrationslager inhaftierten Männer informiert. »Warum schweigt die Welt?! – Häftlinge im Berliner Konzentrationslager Columbia-Haus 1933 bis 1936« lautet der vollständige Titel der Ausstellung, die der achttausend bis zehntausend Häftlinge gedenkt, deren Schicksale auf zumeist brutale Weise mit diesem Ort verbunden waren.

Trotz des mittlerweile bemerkenswerten Wissens um die Häftlinge selbst, als auch ihre fürchterlichen Lebensbedingungen, ist die Identität der ersten 230 Inhaftierten weiterhin unbekannt. Der erste namentlich zuzuordnende Häftling trug die Häftlingsnummer 231: Schutzhäftling Kurt Hiller. Hillers Biografie und die Lebensläufe! Von 30 weiteren Inhaftierten lassen sich in der Ausstellung anschaulich und mit viel Detailkenntnis dargestellt ebenso nachvollziehen, wie die Entwicklung der ehemaligen Militärstrafanstalt zum berüchtigten, von der SS betriebenen Konzentrationslager Columbia-Haus, umgangssprachlich zutreffender Columbiahölle genannt. So heißt es im Katalog zur Ausstellung: »Seit Sommer 1933 nutzt das Geheime Staatspolizeiamt das Gebäude als Gefängnis für politische Häftlinge… Das Columbiahaus ist ein Ort völliger Rechtlosigkeit in der Verantwortung der Geheimen Staatspolizei. Die Gefangenen werden von den SS-Wachmannschaften erniedrigt, misshandelt und gefoltert.«

Der Kuratorin Karoline Georg und den Kuratoren Kurt Schilde und Johannes Tuchel, letzterer zugleich Gedenkstättenleiter, gelingt es auf beeindruckende Art und Weise, anhand vergleichsweise weniger exemplarischer Biografien ein Panorama des Widerstands in den Anfangsjahren der nationalsozialistischen Diktatur zu zeichnen. Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter finden sich überdurchschnittlich häufig unter den Opfern des frühen Terrors der Nazis. Doch wurden auch dem NS-Regime kritisch gegenüberstehende Angehörige der verschiedenen Glaubensgemeinschaften, Homosexuelle, Juden und Bürgerliche in die Columbiahölle geworfen. Nicht alle sollten die Torturen des für seine absolute Rechtlosigkeit und die Gewalttätigkeit der Wärter bekannten Konzentrationslagers überleben. Wie viele Häftlinge starben, lässt sich auch heute noch nicht genau benennen.

Das große Verdienst der Ausstellung besteht darin, sowohl den Toten als auch den Überlebenden wieder ein Gesicht und eine Stimme zu geben. Viel zu lange nämlich schwieg die Berliner Nachkriegsgesellschaft darüber, dass inmitten der Stadt bis 1936 ein Konzentrationslager bestand. Das auf dem Tempelhofer Feld gelegene Gebäude wurde im Zuge der Kriegsvorbereitungen und des Baus des Flughafens Tempelhof abgerissen. Mit dem Verschwinden des Gebäudes blieb den Häftlingen und ihrem erlittenen Leid die öffentliche Aufmerksamkeit auch nach der Befreiung vom Nationalsozialismus verwehrt.

Vielleicht führt die Debatte um die Zukunft des Tempelhofer Feldes innerhalb der Berliner Stadtgesellschaft dazu, dass dort, wo sich einst die Columbiahölle befand, ein öffentlicher Ort des Gedenkens entsteht. Wünschenswert wäre dies allemal.

Um sinngemäß mit den während der Eröffnungsrede geäußerten Worten der Kuratorin Karoline Georg zu enden: Die Ausstellung kann die Frage des 1944 an den Folgen der Haft verstorbenen Berthold Jacob nicht beantworten. Sie trägt jedoch ihren Teil dazu bei, die Häftlinge dem Vergessen zu entreißen.