Hommage an die Opfer

geschrieben von Hans Canjé

10. März 2014

Die Wandinschriften im Kölner Gestapo-Gefängnis (EL-DE-Haus)

 

Die Botschaft klingt nicht nach Resignation, die fünf Frauen mit ihren Namen an einer Wand ihrer Zelle im ehemaligen »Hausgefängnis« der Kölner Geheimen Staatspolizei (Gestapo), dem EL-DE-Haus, hinterlassen haben: »Ob sie für das alles büßen müssen? Schlagt den Feind ohne Gnade. 12 Uhr vormittags, Mittwoch«.

Mut und Trotz spricht aus diesen Worten. Nicht minder mutig dieses »Tod den Faschisten« oder »Es lebe Frankreich!«. An einer Stelle hat Gaidan Wladimir angesichts des drohenden Todes mit bewegenden Worten an seine Heimat gedacht: »Stadt Rostow. Rostow am Don. Der blaue Sternenhimmel, die Gartenstraße, die kleine Ahornbank. Ach! Du Stadt Rostow am Don!« dazu die Jahreszahl 1945. Ob er seine Heimat wieder gesehen hat? Kurin Tolja Nikolai hat noch hinterlassen können: »Geboren 1925, gehängt 1945«. Vom 4. November 1944 ist dieser »Eintrag«: »Morgens um 10 Uhr hierhin gebracht. Wann werde ich diese Zelle wieder verlassen?«

Werner Jung (Hg.): »Wände, die sprechen. (Walls that talk). Die Wandinschriften im Kölner Gefängnis der Gestapo«. Gebunden mit Schutzumschlag, 420 Seiten, 28x34 cm. Sieben Altarfalze der Zellen zum Ausklappen. Emons Verlag Köln 2013, 69,90 Euro.

Werner Jung (Hg.): »Wände, die sprechen. (Walls that talk). Die Wandinschriften im Kölner Gefängnis der Gestapo«. Gebunden mit Schutzumschlag, 420 Seiten, 28×34 cm. Sieben Altarfalze der Zellen zum Ausklappen. Emons Verlag Köln 2013, 69,90 Euro.

»Wände, die sprechen. Walls that talk« lautet der Titel des hier vorzustellenden außergewöhnlichen und großformatigen Bandes (28 x34 cm) über die Wandinschriften im ehemaligen Gestapo-Gefängnis in Köln.

Die vorangestellten Inschriften gehören zu den rund 1400 (von insgesamt 1800 gezählten) rekonstruierten Lebenszeichen an den Wänden der Verhör- und Hafträume im Keller der einstigen Kölner Gestapo-Zentrale. Die hatte 1935 das Wohnhaus des Schmuck- und Uhrengroßhändlers Leopold Dahmen, daher EL-DE-Haus, beschlagnahmt. Nahe dem Polizeipräsidium, dem Gericht und der Haftanstalt Klingelpütz verfügten die hier wirkenden rund 100, zumeist promovierten Mitarbeiter, im Herzen der Stadt über ein Macht- und Terrorzentrum, das tiefe Spuren im städtischen Leben hinterlassen hat.

Einleitend rufen die Autoren die Geschichte des EL-DE-Hauses in den Jahren vom 1.Dezember 1935 bis zum 2. März 945 und den von Verdrängung und Vergessen gezeichneten, zuweilen recht mühseligen,  Nachkriegsweg bis zur 1981 fertiggestellten und an die Öffentlichkeit übergebenen Gedenkstätte in Erinnerung. Sie nennen die Haftanstalten, in die die Häftlinge, Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter, deutsche und ausländische Widerstandskämpfer nach den Verhören weitergeleitet oder aber auf dem Innenhof durch den Galgen hingerichtet wurden.

Zur Erinnerung an die mindestens 400 hier Ermordeten ist im Dezember ein Mahnmal eingeweiht worden. (siehe dazu antifa Januar/Februar 2014, S. 30 »Kein besinnlicher Ort«.) Die Einbeziehung der Hinrichtungsstätte, heißt es im Text, stärke nochmals »den Stellenwert der Gedenkstätte, die ohnehin in Deutschland und Europa einen einzigartigen authentischen Gedenkort darstellt – in keinem anderen erhalten gebliebenen Gefängnis legt eine derart dichte Überlieferung von Inschriften an den Wänden so eindrucksvoll Zeugnis vom Schicksal der Gefangenen der Gestapo ab.«

Zu sehen sind in dieser zweisprachigen Ausgabe auf Deutsch und Englisch auf großformatigen Farbfotos die sorgfältig restaurierten Inschriften, die im Verlaufe der Jahre zum Teil übertüncht worden waren. Mit Nägeln, Bleistift, auch Kohlenstücken oder Lippenstiften hatten die Gefangenen ihre Namen und Botschaften hinterlassen. 600 dieser Eintragungen, oft ist es nur Name, sind in kyrillischer Schrift verfasst. 230 in französisch, polnisch niederländisch und spanisch..

Dem Betrachter dieses, auf edlem Papier gedruckten »Mahnmals« ganz besonderer Art, wird, wesentlich zu danken den Fotografen und Gestaltern, eine Ahnung des Geschehens in das vermittelt, was sich in den zehn Zellen des Kellergeschosses diesen repräsentativen Gebäudes ereignet haben mag – Qual Leiden, Angst, Trauer, Hoffnung und Mut. Die Zellen sind in aufklappbaren Aufnahmen (ca. 100 cm) abgebildet. Ihnen zugeordnet sind die Inschriften mit Angabe der Originalgröße. Berichte von Zeit-, eher Leidgenossen reflektieren Erinnerungen an ihre Erlebnisse in den Verließen der Gestapo.

Herausgeber ist der Direktor NS-Dokumentationszentrum der Domstadt, Dr. Werner Jung. Im Vorwort dieses typografisch hervorragend gestalteten Buches würdigt Herausgeber Werner Jung mit Dank an den Verlag und den Gestalter Jorg Weusthoff diese Dokumentation als das, was sie werden sollte (und in beidruckender Weise geworden ist): »Eine Hommage für die Opfer – ein Buch, wodurch an sie dauerhaft erinnert werden soll.«