Ein unrühmliches Kapitel

geschrieben von Hans Canjé

14. März 2014

Franco und das moralische Versagen der Schweizer Diplomatie

 

Die offizielle Schweiz suchte schon früh die Annäherung an das faschistische Franco-Regime und verschloss die Augen vor dem Massenmord an der spanischen Bevölkerung. So urteilt Ralph Hug, im schweizerischen St. Gallen lebender Journalist und Autor, in seinem neuen Buch. Seine harte Kritik bezieht sich, im Ergebnis umfassender Recherchen in diversen Archiven der Eidgenossenschaft, vor allem auf das moralische Versagen der Berner Regierung angesichts des Umgangs der spanischen Machthaber mit Schweizer Bürgern in den Jahren zwischen dem Putsch Francos gegen die Republikanische Regierung im Juli 1936 und dem von ihm am 1. April 1939 proklamierten Sieg. Es führt weiter bis ins Jahr 1947 und bringt, wie der Verlag ankündigte, tatsächlich »Licht in ein unrühmliches Kapitel der schweizerischen Zeitgeschichte im 20. Jahrhundert«

Als Ursachen für dieses Versagen benennt er zum einen die unverhohlen bekundeten Sympathien für die antikommunistisch-republikfeindliche Zielsetzung des, von den faschistischen Regierungen in Deutschland und Italien massiv militärisch unterstützten Putschisten Franco, im Verbund mit der, auch durch die Berner Regierung mitgetragenen, vorgeblichen »Nichteinmischungspolitik« Frankreichs und Englands. Zum anderen waren da handfeste wirtschaftliche Interessen im Spiel, die den »Finanzplatz Schweiz » zum »Mitfinanzier Francos und der Diktatur« machten.

Auf Verlangen »des mächtigen Wirtschaftsverbandes der Industriellen« war schon im Februar 1937 ein schweizerischer Wirtschaftsvertreter an Francos Amtsitzsitz in Burgos entsandt worden. Eine »faktische Anerkennung der Putschisten«, der folgte dann am 14. März 1939, der Kampf zwischen Francos Truppen und der, von den Internationalen Brigaden unterstützten Republikanischen Armee war noch nicht beendet, mit allem Pomp die Akkreditierung des Schweizer Diplomaten Eugène Broye als offiziellem Repräsentanten.

Der Autor hat sich schon als sachkundiger Koautor von Bert Huber an dem 2009 im selben Verlag erschienenen Biografischen Handbuch »Die Schweizer Spanienfreiwilligen« mit den rund 800 Schweizer Interbrigadisten beschäftigt. Hier widmet er sich nun den »vergessenen Opfern«, die »von der historischen Forschung bislang weitgehend unbeachtet geblieben sind« und »im kollektiven Gedächtnis der Schweiz nie verankert« waren. Das sind Auswanderer, die sich nach dem Ersten Weltkrieg in Spanien eine neue Existenz aufbauen wollten und ab Juli 1936 »in die Wirren des Bürgerkriegs und der ausbrechenden sozialen Revolution« gerieten«.

Da sind aber auch die Schweizer Bürger, die als Interbrigadisten nach Spanien gegangen waren, weil sie, im Gegensatz zu ihrer Regierung, »im Staatstreich der Generäle eine weitere Etappe im scheinbar unaufhaltsamen Vormarsch des Faschismus in Europa (erblickten), der unter allen Umständen gestoppt werden sollte«: Als »Militärdienst in fremden Streitkräften« stand darauf in ihrer Heimat die Verurteilung durch die Militärjustiz. In Spanien folgten für sie, so sie nach Francos Sieg in die Hände des Regimes gefallen waren, Prozesse vor den Militärgerichten des Regimes mit langjährigen Haftstrafen, Verbannung in Konzentrationslager und Zwangsarbeiterlager.

Hug nennt sie beim Namen, die so » in einer Art stillen Komplizenschaft« von den in Spanien amtierenden Schweizer Diplomaten und dem Berner Eidgenössischen Politischen Departement (EPD) Abgestempelten. Dort wusste man sehr wohl etwa um das Geschehen im Konzentrationslager Mirando de Ebro, in dem in den Jahren seiner Existenz an die 80 000 Gefangene inhaftiert und misshandelt worden sind. Man war informiert über das Schicksal beispielsweise der Schweizer Brigadisten Georg Storz und Rudolf Sigg, die Ende 1939 gemeinsam mit 459 Internationalen aus rund dreißig Ländern in einem Zwangsarbeitsbataillon das in den Kämpfen zerstörte Städtchen Belchite zu einer Gedenkstätte des Franquismus gestalten mussten.

In den hier vorliegenden Fallstudien belegt Hug detailliert und umfassend, dass die vielbeschworene Schweizer »Neutralität« nicht nur bei der Wahrung ökonomischer Interessen ihre Grenzen fand. Sie galt auch nicht, wenn es um die notwendige Vertretung der von den Francobehörden verfolgten Landsleute ging. Die dem »faschistischen Sadismus« ausgesetzten Brigadisten galten amtlich als »tendenziell zweitrangige Schweizer, die sich ›neutralitätswidrig‹ verhalten hatten und daher selber die Verantwortung für ihr Schicksal trugen«