Das Alte stürzt

geschrieben von Regina Girod

18. März 2014

Vor 40 Jahren siegte in Portugal die Nelkenrevolution

Am 25. April 1974 verlas um 0.30 Uhr der Sprecher eines katholischen Rundfunksenders in Portugal die erste Strophe des von der Diktatur verbotenen Liedes Grândola, Vila Morena, danach erklang das Lied selbst, gesungen von dem antifaschistischen Protestsänger José Zeca Afonso. Das war das Signal für den Aufstand der militärischen Einheiten, die sich zur »Bewegung der Streitkräfte ( MFA)« bekannten.

25abril1974[1]

Knapp 18 Stunden später hatten sie das Salazar-Caetano-Regime, die älteste Diktatur Westeuropas, gestürzt. Die MFA bestand vornehmlich aus jungen Offizieren der unteren Ränge. Seit Beginn der Kolonialkriege in den afrikanischen Provinzen waren auch einfache Soldaten aus dem Volk zu Offizieren ausgebildet worden. Diese Männer waren es, die den diensthabenden Kommandanten festsetzten und über die Autobahn nach Lissabon fuhren, um Ministerien, Rundfunk- und Fernsehsender sowie den Flughafen zu besetzen. Die Mehrheit der angerückten Regierungstruppen lief zu den Aufständischen über.

Tausende Lissaboner säumten den Weg der Aufständischen, jubelten den Befreiern zu, liefen neben den Armeefahrzeugen her, sprangen auf. Die ersten roten Nelken leuchteten an den Uniformen der Soldaten und aus ihren Gewehrläufen. Die rote Nelke, das Symbol der sozialistischen Arbeiterbewegung, deren Ideen die portugiesische Revolution maßgeblich prägten, gab der Revolution ihren Namen.

In der Nacht zum 27. April wurden die politischen Gefangenen aus dem Kerkern der Geheimpolizei PIDE befreit. Ihre Verwandten und Freunde empfingen sie auf der Straße. Jahrelang waren sie dort ohne Gerichtsverfahren eingesperrt und Folter, Isolationshaft und Demütigungen ausgesetzt gewesen.

Noch vor dem 1. Mai kehrten viele Verbannte und politisch Verfolgte aus dem Exil zurück. Alvaro Cunhal, Vorsitzender der Kommunistischen Partei (PCP) hatte 13 Jahre in den Kerkern der Geheimpolizei verbracht, bis ihm 1960 die Flucht gelang. Seitdem hatte er in Moskau und Prag gelebt. Auch Mário Soares (Sozialistische Partei) kam aus Paris zurück. Ein machtvoller und widersprüchlicher Prozess der Umwandlung begann. Er fand seinen Ausdruck in der 1976 angenommenen neuen Verfassung Portugals.

Urte Sperling, Die Nelkenrevolution in Portugal. Basiswissen Politik/Geschichte/Ökonomie, PapyRossa Verlag, 131 Seiten, EUR 9,90

Urte Sperling, Die Nelkenrevolution in Portugal. Basiswissen Politik/Geschichte/Ökonomie, PapyRossa Verlag, 131 Seiten, EUR 9,90

Als die Nelkenrevolution 1974 siegte, war ich 19 Jahre alt. Wir standen damals alle unter dem Eindruck des faschistischen Militärputsches in Chile und hatten uns nicht vorstellen können, dass auch das Gegenteil- eine antifaschistische Militärrevolte (noch dazu in einem Nato-Land)-überhaupt möglich sei. Mit Begeisterung verfolgten wir die Nachrichten aus Portugal. Später haben viele von uns Portugiesisch gelernt, denn die DDR unterstützte mit Spezialisten den Aufbau in Angola und Mozambique, die durch den mehr als zehnjährigen Kolonialkrieg völlig zerrüttet waren.

Auch wenn die Errungenschaften der Nelkenrevolution in den darauffolgenden Jahren nach und nach revidiert wurden, nimmt sie für mich und viele meiner Generationsgefährten bis heute einen besonderen Platz in der Geschichte ein. Wir gratulieren den Antifaschistinnen und Antifaschisten der UNIÃO DE RESISTENTES ANTIFASCISTAS PORTUGUESE (URAP) herzlich zum 40. Jahrestag ihres Sieges.