Historisierter Heldenmut

geschrieben von Regina Girod

8. Juli 2014

Zur neuen Dauerausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand

 

Die erste Ausstellung im Berliner Bendlerblock wurde 1968 eröffnet und 21 Jahre lang gezeigt. Die zweite Fassung brachte es schon auf eine Laufzeit von 25 Jahren. Rechtzeitig vor dem 70. Jahrestag des Attentats vom 20. Juli wurde in der Stauffenbergstraße nun die dritte Dauerausstellung eröffnet – nach einjähriger Umbauphase und unter Einsatz von 3,8 Millionen Euro. Auf dem Festakt zur Eröffnung sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel. Höchste Weihen also für das neue Narrativ des deutschen Widerstandes gegen den Faschismus, den die Ausstellung allerdings konsequent als »Nationalsozialismus« bezeichnet. Die darin steckende Diffamierung des Wortes »Sozialismus« springt den Betrachter förmlich an. Oder wird sie einfach von ihm übernommen – schon der penetranten Wiederholung wegen?

Was also wird die nächsten 30 Jahre das offizielle Bild des deutschen Widerstandes prägen? Welche Deutung der Geschichte wird dem Besucher nach mehr als 70 Jahren präsentiert? Die Antwort ist widersprüchlich.

Zum einen ist der Besuch der Ausstellung wirklich lohnenswert. Niemals wurde der Widerstand in seiner ganzen Breite so gut dokumentiert, dargestellt und gewürdigt. Manche Tafeln hätte man sich vor einigen Jahren noch nicht vorstellen können – etwa die über den Widerstand von Sinti und Roma oder jene über bewaffneten Widerstand gegen den Faschismus. Wo der stattfand? In Spanien natürlich, bei der Verteidigung der Republik. Und als Beweis ein kurzer Text über zwei jüdische Deutsche, die in Spanien kämpften – einer von ihnen Kurt Julius Goldstein.

Ein paar Schritte weiter ein schönes Jugendfoto von Hanna Podymachina, die als kommunistische Emigrantin in Moskau lebte und als Oberleutnant mit der Roten Armee zurückgekehrt ist. Generell ist eine bemerkenswerte Normalität im Umgang mit kommunistischen Widerstandskämpfern festzustellen, bundesweit noch lange nicht üblich. Damit könnte die Ausstellung Zeichen setzen. Wer die Publikationen der Gedenkstätte kennt, findet auf vielen Tafeln die Quintessenz ihrer Bücher wieder. Eine quellengesättigte, souveräne Darstellung eines wirklich gut erforschten Themas. Das ist diese Ausstellung. Doch nicht nur.

Dass die Gewichtung des Widerstandes gegen den Faschismus immer noch in Richtung 20. Juli ausschlägt, ist an diesem Ort verständlich. Vier Räume sind alleine den Verschwörern gewidmet. Doch auch Georg Elsner hat jetzt eine eigene Fläche, so groß wie die für den Widerstand aus der Arbeiterbewegung: Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, SAPler und viele andere eingeschlossen. Individuelle Widerstandsbiografien stehen im Mittelpunkt, da kommt der gesellschaftliche Kontext äußerst knapp weg. Eine Konzeption, mit der man sich um viele Probleme herumdrücken kann. Wo das nicht möglich ist, finden sich dann Mainstreamthesen, wie die vom Untergang der Weimarer Republik unter dem Druck ihrer Gegner von rechts und links. Der »Nationalsozialismus« wird überhaupt nur als politische Bewegung dargestellt. Wo er herkam, wer ihn brauchte und wozu erfährt man nicht. Ausschließlich Fotos präsentiert der Saal zu diesem Thema – keinen einzigen Text. Ein Armutszeugnis.

Doch am irritierendsten war für mich die kühle Distanz, die die Ausstellung ausstrahlt. Dokumente, Fotos, ein paar Tondokumente – alles wird ordentlich belegt, doch das Gefühl bleibt davon ziemlich unberührt. Denn hinter den biographischen Texten verschwindet das Besondere, die Individualität der dargestellten Menschen. Ihr Mut und ihre Ängste. All die existentiellen Fragen, mit denen sie zu kämpfen hatten, die oftmals große Tragik ihres Lebens. Sie wird aufgelöst in klinisch reinen Sätzen. Das ist Geschichte. Das hat mit uns nichts zu tun. So lautet die eigentliche Botschaft der Ausstellung.

Wer das Glück hatte, überlebende Widerstandskämpfer zu treffen, mit ihnen gemeinsam zu kämpfen, der weiß, dass gerade das nicht ihre Botschaft war. Scheinbar ist die Zeit gekommen, wo man versuchen kann, ihr Erbe ohne ideologische Infektionsgefahr in das herrschende Geschichtsbild einzufügen. Widerstand dagegen wäre angebracht und ganz in ihrem Sinne.