Wissenschaft von Rechts

geschrieben von Nils Becker

11. September 2014

Studienheft zu rechter Ideologieproduktion und dem Kampf dagegen

 

Die Hochschulen, als Orte von Bildung, Vernunft und Humanität, sind nicht gefeit vor autoritären, nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Einstellungen. Diese schlagen sich auch in der Wissenschaftsproduktion nieder und finden sich in akademischen (Elite-)Netzwerken, in Zitations- und Publikationskartellen. Im aktuellen Studienheft des Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) wird diese »Wissenschaft von Rechts« in ihren unterschiedlichen Facetten beleuchtet. Neben den obligatorischen Begriffsbestimmungen und Problematisierungen der Extremismustheorie, widmen sich die Beiträge klassischen Themen des hochschulpolitischen Antifaschismus wie der »Rassenkunde«, der »Elitenzucht« und den Debatten in den Koporationen, die mit dem »Ariernachweis« im Dachverband Deutsche Burschenschaft oder dem Wiener Akademikerball exemplarisch in der Öffentlichkeit verhandelt wurden. Beiträge zum Erstarken des europäischen Rechtspopulismus und zu den Veränderungen im ungarischen Bildungssektor unter Viktor Orban, erweitern die Perspektive. Gisela Notz liefert den Leitartikel zur historischen Dimension des akademischen Rechtsextremismus. So weht bis heute ein patriarchaler Geist in Verbindung mit Elementen des Rechtsextremismus und des Klassismus durch Forschung und Lehre.

 

Historische Dimensionen

Fast die gesamte »vernunfbegabte« Dozentenschaft von über 3000 Professoren rief im Oktober 1914 zur Kriegsbeteiligung auf – unzählige Studierende folgten ihrem Ruf und unterbrachen für das Gemetzel ihr Studium. Bereits nach dem Ende des Krieges begannen die Heimkehrer sich auf den nächsten vorzubereiten. Der Antisemitismus und der wissenschaftlich objektivierte Rassismus hatten ohnehin seit Jahrzehnten einen festen Platz im Curiculum. Auf dem Höhepunkt antijüdischer Propaganda 1881 gründete sich der Verein Deutscher Studenten (VDS), der Monarchie und das Deutschtum in der Studierendenschaft kultivierte. Das Scharnier zwischen Nationalsozialisten und Bürgerelite bildete später der Antisemitismus. »Fremdblütige Studenten« sollten von den Universitäten ausgeschlossen werden. Mit dieser Forderung schaffte es der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB) in den Vorsitz des VDS. Schon 1932 wurden nahezu alle Studierendenausschüsse von NSDStB-Mitglieder gestellt, die in NSDAP-Uniformen auftraten. Bücherverbrennungen, die Verfolgung von jüdischen, marxistischen und pazifistischen Schriftstellern und Wissenschaftlern waren also lang ideologisch und praktisch vorbereitet – die Beteiligung an der späteren Front akademische Ehrensache. Bis in die 60er Jahre wurde dieser, wenn auch kriegsversehrten, rechten Ideologie an den Hochschulen wenig entgegengesetzt. Der Muff des 1000-jährigen Reiches unter den Talaren war als Zukunftsmodell dann aber für Studierende untragbar geworden. Erst der neoliberale Umbau der Universitäten, der bis heute anhält, ließ die Demokratisierung der Hochschulen und die Bildungsexpansion ins Stocken geraten. Der politische Rollback zeitigt sich in den letzten Jahren im abnehmenden politischen Interesse der Studierenden und einer immer offener agierenden Rechten.

 

Neokonservative Netzwerke

Der Artikel von Helmut Kellershohn widmet sich dem Netzwerk rund um die »Junge Freiheit«, das »Institut für Staatspolitik« (IfS) und den Verlag Antaios. In seiner Analyse der personellen und publizistischen Strukturen offenbart er ein professionalisiertes Milieu, dass sich »auf den Ernstfall eines politischen Elitewechsels« vorbereitet und dessen Kampffeld auch die Universitäten sind. Hervorgegangen ist dieses Netzwerk aus der Studentenverbindung Deutsche Gildenschaft. Dessen ehemalige Führungsriege geht arbeitsteilig vor. Dieter Stein versucht mit der Wochenzeitung Junge Freiheit den Aufstieg der Neuen Rechten (z.B. der Alternative für Deutschland), publizisitisch zu begleiten um »die Union von rechts unter Druck zu setzen«. Das IfS um Karlheinz Weißmann wiederum, richtet sich mit seiner Politikberatung nicht an die breite Masse, sondern an Verantwortungsträger. Der Verlag Antaios von Götz Kubitschek unterstützt die Arbeit des IfS durch Publikationen. Kellershohns Verdienst ist es das dieses Netzwerk mit den »jungkonservativen Netzwerken« der 20er Jahre zu vergleichen und es ebenso als Hegemonieprojekt zu begreifen, das sich geplant und umfassend um die praktische Indienstbarmachung anderer rechter Strömungen (z.B. rechte Euro-Kritik, christilicher Fundamentalismus, Neonazismus) zur Verallgemeinerung völkisch-nationalistischer Basisideologeme bemüht. Denn der programmatische Zusammenhang dieser Strömungen muss bei all den persönlichen Animositäten und Widersprüchen rechter Bewegungen erst einmal hergestellt werden, um als rechte Massenbewegung durchsetzungsfähig zu sein.

Die Erfolgsaussichten solcher Netzwerke hängen aber nicht nur von deren finanziellen und intellektuellen Ressourcen ab, sondern auch von der Gegenwehr, die ihnen von einem gesellschaftlich umfassend aufgestellten Antifaschismus gegenübertritt. Der BdWi leistet dazu in der Hochschullandschaft einen wichtigen Beitrag.