Gegen die Ungerechtigkeit

geschrieben von Janka Kluge

12. November 2014

Vor zehn Jahren starb der antifaschistische Autor Stieg Larsson

 

Die Krimis der Millennium-Trilogie (Verblendung- Verdammnis- Vergebung) von Stieg Larsson haben weltweit riesige Auflagen erreicht. Bis Ende 2013 wurden über 67 Millionen Exemplare verkauft, dazu kommen noch die erfolgreichen Verfilmungen. Doch trotz dieses Erfolgs kennt kaum jemand die Geschichte ihres Autors, des überzeugten Antifaschisten Stieg Larsson. Um nicht mit dem gleichnamigen Regisseur verwechselt zu werden, schrieb er seinen Vornamen schon sehr früh mit einem zusätzlichen »e«. Er starb vor zehn Jahren am 9. November 2004 in Stockholm an einem Herzinfarkt.

Stieg_Larsson_David_Lagerlof_EXPO

Am 15 August 1954 wurde er unter dem Namen Karl Stig-Erland Larsson in einer nordschwedischen Kleinstadt geboren. Da seine Eltern bei seiner Geburt beide erst 19 Jahre alt waren, brachten sie den Jungen zu den Großeltern. Die ersten neun Jahre verbrachte er dort. Sein Großvater hat ihn stark geprägt. Er war Kommunist und überzeugter Antifaschist. Als der Großvater starb, kam er zurück zu seinen Eltern.

Sein Freund Kurdo Baski schildert in seiner Biographie, wie er mit 14 Jahren hilflos zusehen musste, wie Freunde von ihm ein Mädchen vergewaltigten. Dieses Erlebnis, besonders das Gefühl der eigenen Hilflosigkeit, habe ihn dazu gebracht, Ungerechtigkeit nicht mehr hinzunehmen.

Der Vietnamkrieg brachte ihm zum Journalismus. Er kündigte seine Stelle bei der Post und gab ein politisches Magazin heraus. In seinen Artikeln schrieb er über den amerikanischen Imperialismus und den Vietnamkrieg. Stieg Larsson begann sich ab Mitte der siebziger Jahre für den Befreiungskampf in Afrika zu interessieren. Er reiste 1977 in die äthiopische Provinz Eritrea und schloss sich der marxistischen Guerilla an, die für ein eigenständiges Eritrea kämpfte. In einem Ausbildungslager unterrichtete er den Umgang mit Granatwerfern, den er in der schwedischen Armee gelernt hat. Auch später noch zeigte er sich beeindruckt von den vielen Frauen, die in der Guerilla gekämpft hatten.

1979 bekam er eine Stelle bei der schwedischen Nachrichtenagentur Tidningarnas Telegrambyrà (TT). Er arbeitete dort die nächsten 19 Jahre in der Grafikabteilung, verfasste in dieser Zeit aber auch immer wieder Artikel und Buchbesprechungen.

Als in den achtziger Jahren Neonazis in Schweden immer offener auftraten, begann Stieg Larsson sich verstärkt ihnen zu beschäftigen. Ab 1982 wurde er Korrespondent der antifaschistischen englischen Zeitschrift »Searchlight« für Schweden. Nachdem Stieg Larsson zusammen mit der Journalistin Anna-Lena Lodenius ein Buch über schwedische Nazis veröffentlicht hatte, wurden beide bedroht. In einem Nazi-Blatt wurden ihre Adressen und Telefonnummern veröffentlicht. Den Angaben war ein Aufruf zu Gewalt gegen sie angefügt. Er gipfelte in dem Satz »ob er weiterhin seine Arbeit fortsetzen dürfe, oder etwas unternommen werden müsse«. Seine langjährige Lebensgefährtin, Eva Gabriels, berichtete, dass es über die Jahre noch viele Morddrohungen gegen Stieg gab.

Doch Stieg Larsson ließ sich nicht einschüchtern. 1995 gründete er zusammen mit anderen die antirassistisch-antifaschistische Zeitung »Expo« und später die gleichnamige Stiftung. Bis zu seinem Tod war er Herausgeber der Zeitung.

Stieg Larsson war schon in den neunziger Jahren von der Idee begeistert, durch Krimis ein Gesellschaftsbild des modernen Schweden zu gestalten. Es dauerte jedoch noch einige Jahre, bis er begann die Millennium-Trilogie zu schreiben. Deren Hauptpersonen sind Mikael Blomkvist, ein schwedischer Enthüllungsjournalist, und Lisbeth Salander. Sie ist eine begnadete Hackerin und hilft Blomkvist immer wieder, wenn er nicht weiter kommt. Zusammen kämpfen sie für eine bessere Welt. Stieg Larsson nimmt in diesen Krimis eine Tradition auf, die bereits von den beiden Krimiautoren Maj Sjöwall und Per Wallhöö begonnen wurde. Larsson beschreibt Schweden als Land, in dem sich Nazis ungestört organisieren können, alte Naziseilschaften betreiben nach wie vor ihre Hetze und unterstützen die jungen Kameraden. Rassismus ist alltäglicher Bestandteil der schwedischen Gesellschaft. Er zeichnet ein skeptisches Bild, weit entfernt von der Einstellung, dass es in Schweden keine Gewaltverbrecher und kriminellen Machenschaften gibt.

Eigentlich hatte Stieg Larsson zehn Krimis schreiben wollen. Durch seinen frühen Tod kam er leider nicht mehr dazu. Selbst den Erfolg der ersten drei hat er nicht mehr erlebt. Seine ehemalige Lebensgefährtin hat noch die Entwürfe weiterer Krimis auf ihrem Computer, weigert sich aber, sie zur Verfügung zu stellen, nachdem ihr der Vater und der Bruder von Stieg Larsson von den Millionengewinnen der Bücher nichts abgeben wollten. Im Testament von Stieg Larsson, das Eva Gabrielsson, in seinen Unterlagen gefunden hat, hatte er geschrieben: »Ich bin ja kaum ein reicher Mann, aber mein Vermögen in reinem Geld (und in dem Punkt bin ich sehr bestimmt) soll der Ortsgruppe Umcà des Kommunisten Arbeiterbunds zufallen.«