Ein blinder Fleck

geschrieben von Otto Pfeiffer

5. September 2015

Hitlerfaschismus kein Schwerpunkt der Bundesstiftung Aufarbeitung

 

Das Schweigen über die Verbrechen der Franco-Diktatur in Spanien wird nun endlich gebrochen. Im Jahre 2000 wurde von Nachfahren der Todesopfer des faschistischen Terrors der »Verein zur Wiedererlangung der historischen Erinnerung in Spanien« (ARMH) gegründet. Er leistet vor allem gegen den zähen Widerstand zur Zeit regierender postfranquistischer Kräfte eine bewundernswerte Arbeit, um die sterblichen Überreste der weit über 100.000 Personen, die noch immer anonym in verborgenen Massengräbern ruhen, zu exhumieren, zu identifizieren und ihnen ihre Würde zurück zu geben.

Bild von den Ausgrabungen. Foto: Verena Boos

Bild von den Ausgrabungen.
Foto: Verena Boos

In Berlin wird man sich vom 2. September bis 30. Oktober d. J. in der Ausstellung »Gräber öffnen – Würde wiedererlangen. Exhumando fosas; recuperando dignidades« in den Räumen der »Deutschen Gesellschaft e. V.« davon ein Bild machen können.

Es ist sicher löblich, dass zu den Förderern der Ausstellung auch die »Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur« gehört. Zu ihrem gesetzlichen Auftrag gehört ja – wenn auch an letztgenannter Stelle – »die Förderung der internationalen Zusammenarbeit bei der Aufarbeitung von Diktaturen, insbesondere im europäischen Rahmen« (siehe Stiftungsgesetz vom 13.06.1998). Meine Neugier, an welchen konkreten Projekten zur Aufarbeitung der Verbrechen der Hitlerdiktatur sich denn die Bundesstiftung beteilige, konnte von ihrem Pressesprecher allerdings nicht befriedigt werden. Die Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur sei Aufgabe der Bundeszentrale und der Landeszentralen für politische Bildung, doch sie »berühre« die Arbeit der Stiftung »immer wieder in den unterschiedlichsten Zusammenhängen«. Diese »Berührung« ist wohl nicht sehr intensiv. Auf der Website der Stiftung gibt es zum Stichwort »Hitlerfaschismus« einen (!) Treffer: den Begriff »Sieg über den Hitlerfaschismus« (natürlich in Anführungszeichen) in einer Rede aus dem Jahre 2008. Zum Begriff »Nationalsozialismus«, den die Stiftung getreu der selbstgewählten Terminologie des Hitlerregimes natürlich bevorzugt, sind es dann wenigstens 29, die sich nahezu ausnahmslos im Rahmen des sogenannten Diktaturenvergleichs bewegen.

Als Fazit bleibt: Die prinzipielle Auseinandersetzung mit der verbrecherischsten Diktatur des 20. Jahrhunderts, die einen Aggressionskrieg mit 50 Millionen Toten und den Völkermord an den europäischen Juden zu verantworten hat, ist für die Bundesstiftung kein Schwerpunkt.

Nicht zu Unrecht meint man hierzulande, dass die Aufarbeitung der Verbrechen der Franco-Diktatur erst quälend spät – 25 Jahre nach dem Ende des faschistischen Regimes 1975 – begonnen werden konnte. Man sollte aber nicht vergessen, dass die Bundesrepublik Deutschland den 27. Januar – den offiziellen Gedenktag für die Opfer des Hitlerfaschismus – auch erst seit 1996 begeht – über 50 Jahre nach dem Tag der Befreiung, von dem in der Bonner Republik bis zur historischen Rede Richard von Weizsäckers 1985 offiziell nie die Rede war.