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5. September 2015

Rassistische Gewalt

In der Bundesrepublik fanden und finden fast täglich Angriffe auf Unterkünfte von Flüchtlingen und gegen Flüchtlinge statt. Dabei nimmt die Gewalt immer mehr zu. An vielen Orten engagieren sich allerdings auch Menschen zur Unterstützung von Flüchtlingen und gegen die rassistischen Umtriebe. Die Helfer und Gegendemonstranten sind jedoch in zunehmendem Maße ebenfalls von rassistischer Gewalt bedroht. Auffällig ist dabei, dass Politik, Justiz und Polizei selbst bei massivster Gewalt wie lange Zeit z.B. in Heidenau, relativ zurückhaltend, schwach aufgestellt, ganz anders reagieren als bei Einsätzen gegen linke Demonstranten, wo großer Aufwand und Härte durchaus üblich sind.

Terroristische Züge

Allein im 1. Halbjahr dieses Jahres wurden bereits 202 Angriffe auf Asyl- und Flüchtlingsunterkünfte registriert. Diese Zahl nannte das Bundesinnenministeriums im August in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion. Mehr als verdoppelt (von sieben auf 15) haben sich Brand- und Sprengstoffanschläge sowie Körperverletzungen gegen Flüchtlinge allein im zweiten Quartal. »Die rassistische Gewalt hat damit längst terroristische Züge angenommen«, heißt es in einer Stellungnahme von Pro Asyl.

Dreißig »übersehen«

Die Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte im vergangenen Jahr 2014 wurde, wie bereits berichtet, vom Bundesinnenministerium zuerst mit 175, später mit 198 angegeben. Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung ergaben jedoch, dass rund dreißig Straftaten gegen Asylunterkünfte in der Übersicht des Ministeriums nicht enthalten sind. Somit liegt die tatsächliche Zahl der Angriffe bei fast 230, also mehr als viermal höher als im Vorjahr 2013 (da waren es 55).

Mitverantwortlich

»Die Zahl der Angriffe auf Asylunterkünfte steigt enorm an. Politiker und Journalisten sind mitverantwortlich für die Eskalation der Gewalt: Sie haben Ressentiments gegen Flüchtlinge allzu oft befeuert«, heißt es in einem Kommentar von Maximilian Popp, der sich dabei auf entsprechende Äußerungen und Verlautbarungen (z.B. über »Flüchtlingsflut«, »massenhaften Asylmissbrauch« etc.) bezieht. (Spiegel-Online vom 29.7.15).

Morde und Verletzte

Die Zahl der amtlich registrierten rassistischen und neonazistischen Morde seit 1990, die wesentlich unter den Zahlen der von Nichtregierungsorganisationen ermittelten Zahl von mindestens 180 liegen, wird inzwischen mit 75 angegeben. In 15 Fällen wurden die rassistischen bzw. neonazistischen Motive erst nach einer nachträglichen Überprüfung festgestellt. Bei insgesamt 170 registrierten Mordversuchen gab es 142 Verletzte.

Im Namen des NSU

Insgesamt 259 Straftaten mit Bezug auf die neonazistische Terrorgruppe NSU sind beim Bundeskriminalamt für die Zeit nach der Aufdeckung des NSU im November 2011 registriert. In 120 Fällen handelt es sich um sogenannte Propagandadelikte wie etwa das Anbringen der Parole »NSU lebt weiter und ihr werdet die nächsten Opfer sein«. In neun Fällen handelt es sich um Gewaltkriminalität von Brandstiftung bis zu gefährlicher Körperverletzung; in vier Fällen wurden Waffen verwendet.

Gegen Vertuschen

Dreißig Nebenkläger im Münchner NSU-Prozess wollen die Rolle des Verfassungsschutzes genauer beleuchten. Sie äußern den Verdacht, dass sich der Inlandgeheimdienst mit dem Schreddern von V-Leute-Akten bemüht habe, »das Wissen über oder die Beteiligung an Verbrechen zu vertuschen«. Die Nebenkläger fordern deshalb die Einvernahme des damals zuständigen Referatsleiters, Einsichtnahme in die Unterlagen über das Schreddern und die Vorlage des Teils der Akten, der rekonstruiert wurde.

NSU-Ausschuss zwei

Abgeordnete aus allen vier Bundestagsfraktionen, die im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages tätig waren, fordern einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss auf Bundesebene. Zu viel habe im Verlauf des ersten Untersuchungsausschusses nicht behandelt bzw. nicht geklärt werden können. Nach Meinung des Obmannes der Linksfraktion im hessischen Untersuchungsausschuss, Hermann Schaus, sollte sich der Bundes-Untersuchungsausschuss zugleich für den Austausch von Informationen und Erfahrungen zwischen den NSU-Untersuchungsausschüssen in den verschiedenen Landesparlamenten einsetzen.

AfD im VS-Amt

Laut eigenen Angaben ist der stellvertretende Vorsitzende der AFD Mittelsachsen, Hendrik Seidel, 1994 in das sächsische Innenministerium gewechselt und hat dort »seither mehrere Aufgaben in Bezug auf Innere Sicherheit mit Schwerpunkt Extremismus« wahrgenommen und »entsprechende Analysen« verfasst. Seidel zählt zum extrem rechten Flügel der AfD.

Extreme Polizisten

In Brandenburg werden mögliche Verbindungen von Polizeibeamten in die rechtsextreme Szene beziehungsweise entsprechende Verhaltensweisen untersucht. Ein Beamter soll am Neonazi-Heldengedenken in Halbe teilgenommen haben. Zwei Beamte sollen Strafanzeigen gegen Neonazis »vergessen« haben. Der Ehemann und Bruder einer Beamtin im Führungsstab sind in der Neonaziszene aktiv. In Baden-Württemberg gab es zwischen 2002 und 2012 laut Mitteilung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) 25 Disziplinarverfahren gegen Polizisten wegen rechtsextremer Vorfälle. Ähnliche Vorkommnisse gab es auch in anderen Bundesländern, darunter Niedersachsen, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen.

Neonazi- »Hilfspolizei«

Neonazis treten verstärkt als eine Art Schutz- oder Hilfspolizei auf. In Sachsen und Brandenburg bezeichnen sie sich als »Deutsches Polizei-Hilfswerk (DPHW)« mit militärähnlichen Strukturen. In Dortmund versucht es »die Rechte« mit einem selbst ernannten »Stadtschutz« in uniformähnlichen gelben Westen.

»Geht uns alle an«

In einer gemeinsamen Erklärung appellieren der Verband deutscher Schriftsteller und die Autorenvereinigung PEN an die Politik, entschieden gegen alle Formen fremdenfeindlicher Gewalt vorzugehen. Anlass der Erklärung war der Brandanschlag auf den Wohnsitz der Nazigegner Lohmeyer in Jamel. PEN-Präsident Josef Haslinger erklärte, der Brandanschlag zeige eine neue Qualität der Aggression. »Hier bildet sich erneut jene Kultur der politischen Gewalt heraus, die Deutschland schon einmal zugrunde gerichtet hat.« Haslinger betonte: »Das geht uns alle an«.

Zusammengestellt von P.C. Walther