Pegida und der 9. November

geschrieben von Ernst Antoni

8. November 2015

Nazi-Nostalgien, Provokationen und Versammlungsfreiheiten

 

Mit dem Datum 9. November verbindet sich in München mancherlei: der »Hitlerputsch« 1923 mit dem Marsch der Nazis und ihrer Verbündeten, der am Odeonsplatz vor der Feldherrnhalle sein Ende fand. Ab 1933 dann die Kult-Orte und -Veranstaltungen, mit denen Jahr für Jahr an dieses Datum erinnert wurde. Am 9. November 1938 ist es Joseph Goebbels, der im Saal des Alten Rathauses, in dem sich zum 15. Putsch-Jubiläum die »Alten Kämpfer« versammelt haben, zur reichsweiten Judenverfolgung aufruft. Die diesem Aufruf folgenden Pogrome leiten letztlich den Holocaust ein.

»Kult-Orte«: Zunehmend suchten sich die Initiatoren des Münchner Pegida-Ablegers für die Anmeldung ihrer Kundgebungen Orte mit Bezügen zur NS-Vergangenheit. Dies veranlasste schließlich, nachdem Ignoranz und Gewährenlassen durch staatliche Behörden unübersehbar waren, das Bündnis »München ist bunt«, eine »gemeinsame Stellungnahme Münchner Organisationen« mit dem Titel »Warum Pegida rechtsextremistischen Charakter hat« öffentlich zu machen.

Über 60 Verbände und Gruppen, darunter auch die VVN-BdA, Parteien, Kirchen, kulturelle Einrichtungen und Initiativen gehörten zu den Erstunterzeichnern. Ausführlich wird in dieser »Stellungnahme« anhand von vor allem lokalen und regionalen Beispielen unter Rubriken wie »Neonaziszene«, »Bürgerliche Organisatoren?«, »Bezug zu Orten des Nationalsozialismus« oder »Der Münchner Pegida-Ableger im Internet« deutlich gemacht, welche Bewandtnis es mit dem Pegida-Umfeld in München hat – bis hinein in neofaschistische Terror-Szenen.

»Hier«, so das Resümee, »sei nur kurz auf den gemeinsamen Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestags verwiesen: ‚Die Analyse der Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern zur rechtsterroristischen Gefahr war falsch und grob verharmlosend‘. Ein solcher Fehler darf sich nicht wiederholen. Wir fordern daher die Politik und alle staatlichen und kommunalen Akteure auf, dieser Bewegung mit allen zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln entgegenzutreten.«

All das, zu diesem Zeitpunkt längst öffentlich, hinderte das Verwaltungsgericht in München nicht daran, am 26. Oktober ein von der Stadt verhängtes Verbot gegen einen Pegida-Aufmarsch vor der Feldherrnhalle abzuschmettern. Weil das ja »ein Eingriff in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit« sei. Derzeit ist noch offen, ob Pegida sich auch am 9. November am Odeonsplatz oder einem vergleichbaren Ort wieder ihrer Versammlungsfreiheit erfreuen darf.