Antifaschismus international

geschrieben von Cornelia Kerth

11. Januar 2016

Wir dürfen Europa nicht in die Hände von Nazis und Rassisten fallen lassen

 

Auch im Jahr 2015 ist Europa wieder ein Stück weiter nach rechts gerückt. Neben Ungarn, wo der extrem nationalistischen und rassistischen Fidesz und der neofaschistischen Partei Jobbik zusammen nur eine Stimme an der absolute Mehrheit fehlt, ist jetzt auch Polen fest in rechter Hand. Mit 37,6 Prozent der Stimmen konnte die PiS (»Partei für Recht und Gerechtigkeit«) die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament gewinnen und das Ergebnis ist fast allabendlich in deutschen Medien zu sehen: in Windeseile sollen Staat und Gesellschaft dem Parteiprogramm der klerikal-reaktionären PiS angepasst werden. Anders als wir es in Ungarn kennengelernt haben, ruft das in Polen massenhaften Protest hervor und ebenfalls anders, als wir es bei der Regierungsübernahme durch Orban erlebt haben, kommt aus der EU Kritik.

In Frankreich konnte ein Wahlsieg des Front National in der zweiten Runde der Regionalwahlen im Dezember nur durch den Kandidatur-Verzicht meist sozialistischer Kandidat_innen zugunsten der Konservativen (und gelegentlich umgekehrt) verhindert werden. 6,6 Millionen oder 27,4 % der französischen Wähler haben extrem rechts gewählt.

Anlass zu großer Sorge für unsere französische Partnerorganisation FNDIRP (Nationale Vereinigung der Deportierten und Internierten, Widerstandskämpfer und Patrioten), die am 30. und 31. Oktober 2015 ihren 39. Kongress im großen Festsaal des Pariser Rathauses abhielt und zugleich ihren 70. Geburtstag feierte. Als Motto hatten die Kameraden und Kameradinnen »Erinnern und wachsam bleiben« gewählt. In nahezu allen Redebeiträgen der beiden Tage und in den vielen Gesprächen mit den Delegierten wurde die Notwendigkeit, dem Anwachsen rassistischer und ausgrenzender Diskurse im Alltag und die Ausbreitung von Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit entgegenzutreten, thematisiert.

Nach vielen Jahren, in denen sich die FNDIRP aus der internationalen Arbeit der FIR zurückgezogen hatte, war die VVN-BdA als befreundete Organisation eingeladen und wurde mit großer Herzlichkeit empfangen. In unserem Grußwort nahmen wir – nach einem Rückblick auf gemeinsame erfolgreiche Aktivitäten in der Vergangenheit – ebenfalls Stellung zur Rechtsentwicklung in Europa. Dabei stand selbstverständlich die Entwicklung in Deutschland im Mittelpunkt. AfD, Pegida und der fast alltäglich gewordene rassistische Terrorismus beunruhigen auch unsere französischen Freunde stark.

Bei den erstaunlich vielen Überlebenden und ihren Angehörigen ist die historische Erfahrung noch sehr lebendig. Die abschließende Perspektive des Grußworts, dass wir es schaffen müssen und können, die gemeinsame Erfahrung des Widerstands über politische Parteien, persönliche Überzeugungen und Herkunft hinweg in den heutigen Auseinandersetzung fruchtbar zu machen und zu verhindern, dass Europa in die Hände von Rassisten und Neofaschisten fällt, stieß auf große Zustimmung. Zum Abschluss des Besuchs wurde der beiderseitige Wunsch nach Verstetigung unserer Beziehungen und Zusammenarbeit am gemeinsamen Ziel vereinbart.

Unsere dänische Partnerorganisation FIR Dänemark hatte für November zu einem europäischen antifaschistischen Kongress nach Kopenhagen eingeladen. Neben unserem Dachverband FIR waren mehrere dänische Bündnispartner und eine Delegation der VVN dieser Einladung gefolgt. Hier ging es im Wesentlichen um Grundlegendes wie die Frage des Verhältnisses von Geschichtsinterpretation und Gegenwart und die Rechtsentwicklung in der dänischen Gesellschaft, die von einigen Referenten anhand ausgewählter Beispiele thematisiert wurden. Schade, dass die europäische Situation nur in einem Vortrag über Neofaschismus und Rechtspopulismus in Europa beleuchtet wurde und eine Debatte dazu nicht vorgesehen war.

Zu einer engagierten Diskussion kam es im Kongressverlauf nur ein Mal, als ein Vertreter der griechischen KKE den Klassenkampf zum einzigen wirksamen Mittel im Kampf gegen die »Goldene Morgenröte« und andere Neofaschisten erklärte und unsere Delegation an dieser Stelle widersprach.

Wir wollen 2016 wieder einen solidarischen internationalen Beitrag leisten, indem wir – wie schon 2014 – die Freunde von »World without Nazism« in Riga bei ihren Protesten gegen den Aufmarsch der Veteranen der lettischen Legion der Waffen-SS und ihres Anhangs unterstützen. Da der eigentliche Jahrestag am 16. März ein Wochentag ist, dürfte der Marsch am Sonntag, den 20. März stattfinden; er beginnt regelmäßig nach dem Gottesdienst (!) im Dom.

Wer sich vorstellen kann, dabei zu sein, melde sich bitte möglichst bald im Bundesbüro. Dort soll es ab Mitte Januar auch verlässliche Informationen zu Datum und Reisebedingungen geben.

Lasst uns unseren Beitrag dazu leisten, dass 2016 für Antifaschist_innen in Europa ein erfolgreiches Jahr wird!