»Sie werden eingeäschert«

geschrieben von Ernst Antoni

11. Januar 2016

Nazi-Morddrohungen per Todesanzeige in Franken

 

Deutlich waren die Morddrohungen per Todesanzeige, auch wenn es bei der Rechtschreibung hapert. »An Schulen betreibst du Gehirnwäsche an deutschen Kindern, hetzt gegen die nationalsozialistische Idee, damit ist jetzt Schluss!« musste die Sozialwissenschaftlerin Birgit Mair, vielfältig aktiv in der Aufklärungsarbeit über Nazi-Strukturen und -Zusammenhänge, lesen. Und weiter: »Keine Trauer, kein Vergeben. Nicht vermissen werden dich: Der Nationale Widerstand in Nürnberg – Anti Antifa-Kollektiv – Nationales Bündniss (sic!) Franken.«

Foto fu¦êr Seite 8

Dem »Zecken Journalist Jonas Miller« vom Bayer-ischen Rundfunk wurde angekündigt: »Es dauert nicht mehr lange, dann haben deine Denunzierungen ein Ende! Kein Vergeben deinen Taten!« Als weiteren »Zecken Journalist« hatten die Todesanzeigen-Bastler den Geschäftsführer der Nürnberger SPD Rüdiger Löster ins Visier genommen, der lange für das kritische Internet-Portal »Endstation Rechts. Bayern« arbeitete: »Es ist Zeit zu gehen. Feinde der Bewegung werden nicht bestattet. Sie werden eingeäschert. Nationalsozialismus jetzt!!!«

Dem »Linken«-Stadtrat Titus Schüller (»Antideutscher Politiker«) wurde signalisiert: »Wir hassen Kommunisten. Die Revolution endet für dich, bevor sie angefangen hat.« Und auf der Todesanzeige für ver.di-Sekretär Ulrich Schneeweiß stand »Gewerkschaftsjude« und: »Wir freuen uns mitteilen zu können, das (sic!) Ulli bald von uns geht. Vermissen wird ihn nur die Antifa und die Judengewerkschaft.«

Die Bedrohten, allesamt engagiert gegen Neofaschismus und Rassismus in Nürnberg und weit darüber hinaus, hatten im November an sie adressierte Mails bekommen mit Absender »nationalsozialisten-franken« und Verweisen auf bestimmte Internetseiten. Dort fanden sie ihre Todesanzeigen. Sie reagierten prompt, machten die Drohungen öffentlich und stellten Strafverfolgungsantrag bei Staatsanwaltschaft und Polizei. Anonyme Morddrohungen in ähnlicher Form hatte es aus Naziszenen schon öfter gegeben, Anfang 2015 etwa in Dortmund. Auch dort waren es Todesanzeigen, ins Visier genommen wurden kritische Journalisten.

Ob bei den Strafverfolgungsanträgen zu den Nürnberger Morddrohungen schon etwas herausgekommen ist, war bei Redaktionsschluss dieser »antifa« noch nicht bekannt. Skepsis ist angebracht. Immer wieder fällt auf, dass derlei Drohungen, kommen sie von rechts, nicht besonders ernst genommen werden.

So kam es etwa im Juli 2015 zur Einstellung der Ermittlungen gegen anonyme Drohbrief-Verfasser in München. Ein knappes Jahr davor hatte es dort, verbunden mit einer Pressekonferenz, eine kleine Aktion gegen eine völkisch-nationalistische Wandtafel am Münchner Rathaus gegeben, die an einen »Deutschen Reichskriegertag 1929« erinnert. Die Organisatoren stellten sich für die Presse mit die Aussagen der Tafel konterkarierenden Plakaten davor auf. Das Foto kam in die Zeitung, die Namen der Abgebildeten ebenfalls – und kurz drauf fand sich (mit einer Kopie des Pressebildes) dieses Schreiben im Briefkasten einer der Beteiligten: ,,Hallo, Ihr Vier Weltverbesserer! Mit euren (sic!)‚Stahlhelm-Plakat‘ beleidigt ihr jeden Soldaten, auch die von der Bundeswehr. Eure Namen und Adressen sind gespeichert. P.S. Vom letzten Krieg sind noch vier Patronen übrig geblieben. DIE RÄCHER«

Aus der staatsanwaltlichen Begründung der Ermittlungs-Einstellung: »Die (…) Äußerung des unbekannten Urhebers des Schreibens kann durchaus in dem Sinn verstanden werden, dass dieser den vier auf dem Lichtbild gezeigten Personen deren Tötung durch Erschießen in Aussicht stellt. Dies ist jedoch keineswegs die einzig denkbare bzw. zwingende Möglichkeit, den Inhalt des Briefes auszulegen. Sowohl der Text selbst als auch das darunter abgebildete Foto nehmen inhaltlich Bezug auf eine von den Anzeigeerstattern durchgeführte, medienwirksame Protestaktion. Vor diesem Hintergrund muss zugunsten des Urhebers des Briefes davon ausgegangen werden, dass dieser – auf drastische und überspitzte Weise – Kritik an der Protestaktion der Anzeigeerstatter bzw. deren politischen Ansichten üben und diese abwerten will. Ein eindeutiger Inhalt, dass die Verübung eines Tötungsdelikts angedroht wird, kann nicht festgestellt werden.«