Der Held von Madrid

geschrieben von Peter Rau

13. September 2016

Manfred Stern führte 1936 die erste der Internationalen Brigaden

»Retter …« bzw. »Held von Madrid« – mit diesem Ehrennamen bedachten die Madrilenen vor allem den Kommandeur der ersten Internationalen Brigade, der am 7./8. November 1936 an der Spitze dreier Bataillone durch die Straßen der Hauptstadt Spaniens marschierte, um gemeinsam mit republikanischen Milizionären den faschistischen Angreifern den Weg in die Stadt zu versperren. Dieser Mann war der damals 40jährige Manfred Stern, auch wenn ihn die Spanier seinerzeit nur unter dem Namen Emilio Kleber oder General Kleber kannten.
Geboren am 20. Januar 1896 in der Bukowina – einem Gebiet beiderseits der rumänisch-ukrainischen Grenze, das von 1775 bis 1918 zu Österreich gehörte – als Sohn eines jüdischen Bauern, konnte er dank der Unterstützung eines älteren Bruders das Gymnasium besuchen und ein Medizinstudium aufnehmen. Er wurde Mitglied einer sozialistischen Studentenvereinigung, nach Beginn des Ersten Weltkrieges eingezogen und in der Armee der 1867 entstandenen Doppelmonarchie Österreich-Ungarn an der russischen Front eingesetzt.
Dort geriet er als Fähnrich, gerade 20 Jahre alt, in Kriegsgefangenschaft, schlug aber alsbald, wie man es damals nannte, den Weg eines Berufsrevolutionärs ein. Nach der Oktoberrevolution 1917 schloss er sich Partisanen an, die sich an der Seite der Bolschewiki konterrevolutionären Banden entgegenstellten. Als Kommissar einer solchen Partisaneneinheit kämpfte Stern in Sibirien gegen die weißgardistischen Truppen von Admiral Koltschak und des Generals Baron Ungern von Sternberg. 1921 wurde er zum Stabschef der Fernost-Truppen der Roten Armee ernannt, die sich japanischen Interventionstruppen und Angehörigen der sogenannten Tschechischen Legion zu erwehren hatten.

Manfred Stern (l.)

Manfred Stern (l.)

In den folgenden Jahren war er im Auftrag der Komintern und ihres Exekutivkomitees (EKKI) in verschiedenen Ländern unterwegs, wo sein militärisches Wissen gefragt war. Vom Zentralkomitee der KPR (B) wurde Stern dem ZK der deutschen Bruderpartei zur Verfügung gestellt und ging nach Hamburg. Als Militärleiter nahm er dort im Oktober 1923 am letztlich fehlgeschlagenen Aufstand teil.
In Spanien, wohin ihn ebenfalls die Komintern entsandte, traf er am 15. September 1936 ein. Bevor Stern-Kleber im Oktober zum Kommandeur der XI. Internationalen Brigade ernannt wurde, trat er zunächst als Berater des von der spanischen Bruderpartei inzwischen als Kern einer künftigen Volksarmee gebildeten »Quinto Regimento« in Erscheinung.
Dass Stern nur für wenige Wochen an der Spitze der XI. agieren sollte, lag nicht in seiner Macht. Aufgrund verschiedener Differenzen mit dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Largo Caballero, der zugleich Kriegsminister war, bezüglich der weiteren Führung des Kampfes um Madrid wurde Stern aus der Hauptstadt abberufen. Stern, dem nach den Novemberkämpfen noch für kurze Zeit das Kommando über eine größere Abteilung mit zwei Internationalen Brigaden und einigen spanischen Einheiten übertragen worden war, wurde schließlich Anfang 1937 nach Valencia beordert, wohin die Regierung inzwischen umgesiedelt war. Hier beteiligte er sich zunächst an der Arbeit der von Dolores Ibarruri geleiteten Militärkommission des ZK der KP Spaniens. Nach dem im Mai 1937 erfolgten Regierungswechsel von Caballero auf Juan Negrin wurde Stern noch einmal an die Front berufen; er übernahm anstelle des im Juni gefallenen Mate Zalka das Kommando über die 45. Division der Volksarmee, mit der er an den Sommer- und Herbstoperationen des Jahres 1937 teilnahm.
Im Oktober 1937 schließlich nach Moskau zurückgerufen, setzte Manfred Stern seine Tätigkeit im Apparat des EKKI fort, bevor er aus welchen Gründen, bzw. unter welchen Vorwänden auch immer, ein Opfer der sogenannten Stalinschen Säuberungen wurde. Im Juli 1938 unter der widersinnigen Anschuldigung der Spionage für Deutschland sowie der Mitgliedschaft in trotzkistischen Organisationen verhaftet, wurde er im Jahr darauf vom Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR zu 15 Jahren Lagerhaft verurteilt. Diese Haft musste er zumeist in Arbeitslagern an der Kolyma am nördlichen Polarkreis, in der Jakutischen Autonomen Sowjetrepublik, verbringen.
In dieser Zeit hatte Stern, der stets jede Schuld an den ihm zur Last gelegten Verbrechen bestritt, sich immer wieder um eine Rehabilitation bzw. Wiederaufnahme seines Verfahrens bemüht. Nach dem faschistischen Überfall auf die Sowjetunion erklärte er – unter anderem auch in Eingaben an Stalin selbst – wiederholt seine Bereitschaft, als einfacher Soldat an die Front zu gehen und gemeinsam mit allen ehrlichen Söhnen der Heimat gegen den niederträchtigen Feind zu kämpfen.
Das war offenbar vergebens. Stern blieb weiterhin im Lager – und mehr noch: 1945 wurde seine Strafe noch einmal um zehn Jahre Haft verlängert. Die überlebte der inzwischen gesundheitlich angeschlagene Held von Madrid nicht; er starb am 12. Februar 1954.

 

Francisco Galan, einer seiner spanischen Kampfgefährten, der später zum Kommandeur eines Armeekorps avancieren sollte, schrieb Jahre nach dem Krieg über ihn: »Kleber war ein Mensch mit einer großen Seele, und er behielt seine menschlichen Gefühle durch alle Schrecken des Krieges hindurch bei.«
Erst nach dem XX. Parteitag der KPd-SU wurde Manfred Stern im August 1956 vom Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR rehabilitiert und über zehn Jahre später post mortem seine Wiederaufnahme in die Partei beschlossen.