Gegen den Zeitgeist

geschrieben von Ulrich Schneider

29. März 2017

Vor 50 Jahren wurde der Studienkreis Deutscher Widerstand gegründet

Im Februar 1967 gründeten ehemalige Widerstandskämpfer, Historiker und Politikwissenschaftler, Lehrer und andere an antifaschistischer Aufklärungsarbeit Interessierte in Frankfurt/ Main den »Studienkreis Deutscher Widerstand 1933 – 1945«. Ziel war es, einen eigenen Beitrag zu einem wahrheitsgemäßen Geschichtsbild über Faschismus und antifaschistischen Widerstand zu vermitteln.
50 JahreEinige Jahre zuvor hatte die FIR eine internationale Geschichtskonferenz organisiert, auf der über die Frage diskutiert wurde, wie die Erfahrungen des Widerstands an die Nachgeborenen weitergegeben werden könnten. Die VVN hatte damals eine erschreckende Bestandsaufnahme beigesteuert, wie das Thema NS-Zeit in bundesdeutschen Schulbüchern behandelt wird. Ausgehend von diesen Vorarbeiten luden Max Oppenheimer, Prof. Wolfgang Abendroth und Edgar Weick zu einer Schulbuchkonferenz ein. Etwa 80 Historiker, Pädagogen, Widerstandskämpfer und selbst Vertreter von Schulbuchverlagen nahmen an dieser Konferenz teil.
Als ein praktisches Ergebnis entstand der »Studienkreis Deutscher Widerstand«, Prof. Hans-Joachim Heydorn wurde der erste Vorsitzende, Edgar Weick der Sekretär. Max Oppenheimer erklärte dazu: »Unser Anliegen war es damals, den Widerstand der Arbeiterbewegung, der quantitativ der stärkste und der erste gewesen war, und der in der Bundesrepublik in der Periode des Kalten Krieges unterdrückt wurde, zu erforschen und ihn im Kontext des Gesamtwiderstandes darzustellen und zu vermitteln.«
Obwohl damals noch viele Frauen und Männer Zeugnis aus eigenem Erleben ablegen konnten, war es notwendig, gegen die gesellschaftliche Verdrängung anzugehen.
In den folgenden Jahren wurde der Studienkreis um einen wichtigen Bereich, nämlich das Dokumentationsarchiv, erweitert. Nun hatten die Überlebenden auch einen Ort, dem sie ihre Nachlässe und die Dokumente aus dem antifaschistischen Kampf anvertrauen konnten – wissend, dass sie dort bewahrt und für Geschichtsarbeit genutzt werden würden. Der Studienkreis verfügt heute über Nachlässe und Sammlungen zu den Internationalen Brigaden, zum Widerstand im KZ Buchenwald, zu Frauen im Widerstand und anderen Spezialthemen, die selbst in großen Archiven nicht zu finden sind. Bei der Arbeit mit diesen Unterlagen war der Studienkreis in den vergangenen Jahrzehnten überaus erfolgreich, obwohl sich die finanzielle Ausstattung der Einrichtung nie mit staatlichen Archiven vergleichen ließ.

Neben der Sicherung von Archivbeständen und der Pflege der ständig wachsenden Bibliothek, die über einen Fundus von zeitgenössischen Werken und »grauer Literatur« verfügt, entwickelte der Studienkreis auch eigene Projekte, wie mehrere erfolgreiche Ausstellungen, u.a. eine mit Kinderzeichnungen aus Theresienstadt.
Ein arbeitsintensives Projekt, das nur mit Hilfe zahlreicher freiwilliger Helfer in den verschiedenen Bundesländern realisiert werden konnte, waren die »Heimatgeschichtlichen Wegweiser zu den Stätten der Verfolgung und des Widerstandes«. Leider konnten aufgrund fehlender Mittel und Kräfte diese Wegweiser nicht für alle Bundesländer fertig gestellt werden. Die vorhandenen sind aber als regionale Nachschlagewerke bis heute unübertroffen.
Neben weiteren eindrucksvollen Ausstellungen über den Jugendwiderstand und Frauen im Widerstand, ein Thema, das viele Jahrzehnte Hanna Elling engagiert bearbeitet hatte, wurde als letztes großes Projekt ein Internetportal über »Europäische Gedenkorte« entwickelt, eine elektronische Landkarte von Italien und Südfrankreich, auf der Bilder, historische Informationen und weitere Details des antifaschistischen Kampfes und der Erinnerung verzeichnet sind.
Die Arbeit des Studienkreises wird bis heute von einem kleinen hauptamtlichen Team und vielen Ehrenamtlichen getragen. Ob Konferenzen, Ausstellungen oder die halbjährlich erscheinenden »Informationen« – alle diese Arbeiten werden hoch geschätzt. Im November 2016 erhielt der Studienkreis für seine jahrzehntelange engagierte antifaschistische Aufklärungsarbeit die höchste Ehrung der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR), den Michel-Vanderborght-Preis«. Eine durchaus angemessene Würdigung 50jähriger verdienstvoller Arbeit.