Erwartungen an einen Kandidaten

geschrieben von Ulrich Schneider

16. April 2017

Steht Martin Schulz zu seinen antifaschistischen Positionen?

Im Januar 2017 überraschte die SPD mit einer Personalentscheidung zur Bundestagswahl. Der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, wurde nicht nur zum Spitzenkandidat der Partei gekürt, sondern gleichzeitig zum designierten Parteivorsitzenden. Normalerweise beschäftigt sich die VVN nicht mit Personalpolitik in einzelnen Parteien. Nur in den 80er Jahren, als Franz-Josef Strauß Bundeskanzler werden wollte, engagierte sich auch die VVN-BdA in dem breiten überparteilichen Bündnis »Stoppt Strauß«, um eine Rechtsentwicklung in der BRD aufzuhalten.
In diesem Jahr sieht die Situation anders aus. Immerhin hat sich der Kandidat Martin Schulz in den vergangenen Jahren mehrfach deutlich in antifaschistischer Perspektive positioniert. Er war Hauptredner auf dem Kongress der sozialistischen Fraktion des Europaparlaments in Dresden zur Unterstützung des gesellschaftlichen Protestes gegen den internationalen Naziaufmarsch zum 13. Februar. In seiner Heimatregion Aachen trat er mehrfach bei Ehrungen zum Gedenken an die Opfer des Faschismus auf. Und man sollte nicht vergessen, dass er am 8. Mai 2015 aus Brüssel nach Polen reiste, um in der Gedenkstätte Auschwitz auf der Abschlusskundgebung des »Zug der Tausend«, dem beeindruckenden internationalen Jugendtreffen des »Institut des Veterans« und der FIR, zu sprechen. In seiner Ansprache würdigte er die Opfer des Faschismus, erinnerte aber auch an den antifaschistischen Widerstand und forderte die Nachgeborenen auf, selber aktiv zu werden gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, gegen Antisemitismus und wiedererstarkenden Nationalismus. Und zur katastrophalen Situation der Flüchtlinge in den europäischen Aufnahmeländern fand er im vergangenen Jahre durchaus deutliche Worte.
Wir als Antifaschisten beobachten daher, ob Martin Schulz tatsächlich für einen Politikwechsel stehen könnte. Und der bedeutet, nicht den rechtspopulistischen Schlagworten hinterherzulaufen, sondern sich z.B. gegen Abschiebungen von Flüchtlingen nach Afghanistan und in andere Kriegs- und Krisengebiete zu positionieren. Die Forderung nach Überwindung der Gerechtigkeitslücke muss mit tatsächlichen Maßnahmen für alle Menschen verbunden werden, so dass die rassistische und soziale Spaltung der Gesellschaft überwunden werden kann. Und zum antifaschistischen Grundverständnis gehört auch das Eintreten für eine Friedenspolitik und nichtmilitärische Konfliktlösungen. Hier hat der Kandidat noch ein weites Betätigungsfeld. Wir sind gespannt.