Der Chef der »Eisernen Garde«

geschrieben von Gerald Netzl

10. Mai 2017

Eine Biographie des rumänischen Faschistenführers Corneliu Codreanu

Im Vorjahr erschien die erste wissenschaftliche Biografie über den bei uns wenig bekannten rumänischen Faschistenführer Corneliu Codreanu (1899-1938). Seine »Eiserne Garde« ist uns ein Begriff, dass Codreanu in seinem Land einst so populär wie Adolf Hitler und Benito Mussolini in ihren war, dagegen kaum.

»Capitan Codreanu - Aufstieg und Fall des rumänischen Faschistenführers« von Oliver Jens Schmitt. Zsolnay Verlag, 336 Seiten, 26 Euro

»Capitan Codreanu – Aufstieg und Fall des rumänischen Faschistenführers« von Oliver Jens Schmitt. Zsolnay Verlag, 336 Seiten, 26 Euro

Rumänien zählte zu den Siegerstaaten des Ersten Weltkriegs dessen Staatsfläche sich fast verdoppelte, das Staatsvolk wurde dadurch jedoch inhomogener. Knapp 30 % der Bevölkerung gehörten einer ethnischen oder religiösen Minderheit an: Ungarn, Deutsche, Bulgaren, Ukrainer, Russen, Türken und Juden. Nach dem Krieg lagen Wirtschaft und Verkehr, Bildungswesen und Staat darnieder. Der Geheimdienst war in der Zwischenkriegszeit die am besten funktionierende Bürokratie. Parteien des linken Spektrums waren lange ohne Bedeutung, trotzdem gab es bis 1920 immer wieder Streikwellen. Die Angst der tiefreligiösen bäuerlichen und der schwachen bürgerlichen Klassen vor der bolschewistischen Revolution musste nur geschürt werden. So erklärt sich die Sympathie und Unterstützung für Codreanus »Legion« durch den orthodoxen Klerus. Wie Hitler setzte Codreanu Bolschewismus und Judentum gleich. Codreanu stand für eine faschistische »Internationale«, die alle Gegner der Juden vereinigte. Von der NSDAP selbst wurde die »Legion« allerdings nicht unterstützt.
Nach Hitler und Mussolini war Corneliu Codreanu der dritte charismatische Führer des Faschismus im Zwischenkriegseuropa. Schon als Militärschüler, und dann als Jus-Student im ostrumänischen Iasi hatte er ein gefestigtes Weltbild. Ab 1920 agitierte er gemeinsam mit anderen antisemitischen Studenten an den Universitäten, aber auch mit gleichgesinnten Arbeitern, ging kurz zum Studium nach Berlin und Jena, von wo er das Hakenkreuz als Kampfzeichen mitbrachte, und kehrte 1923 nach Hause zurück. Am 24. Oktober 1924 erschoss er einen Polizeipräfekten, wurde jedoch freigesprochen. Keine Überraschung: Alle Geschworenen trugen die Swastika am Revers. In der Untersuchungshaft entwickelte der tiefreligiöse, streng asketisch lebende Codreanu das Konzept einer Jugendorganisation namens »Legion des Erzengels Michael«, die er dann 1927 tatsächlich gründen wird. 1930 ging aus der Legion die »Eiserne Garde« als deren militärische Elite hervor. Sinnigerweise gegründet am Palmsonntag. Interessant: Die Legionäre trugen Grünhemden. Die Entwicklung dieser Legion verlief nicht linear, der Aufstieg war immer wieder von schweren Krisen und zeitweiligen Verboten gebremst.
Trotz schwacher Industrialisierung erfasste die Weltwirtschaftskrise das Land und erschütterte auch das ohnehin wenig demokratisch-entwickelte politische System. König Carol II. deckte ein durch und durch korruptes System. Genau hier bot der Moral predigende und persönliche Bescheidenheit lebende Codreanu eine glaubwürdige Alternative mit dem Ziel einer »Volksgemeinschaft« von Bauern, Arbeitern und Intellektuellen. Die Fragmentierung des politischen Systems machte es dem König leicht zu regieren. Ende November 1938 ließ Carol Codreanu, der ihm zu gefährlich geworden war, umbringen und die Eiserne Garde verbieten. Im Krieg erstarkte die Garde erneut und war kurze Zeit an der Regierung beteiligt, dann allerdings unter ganz anderen Bedingungen. Leider fehlt der Platz, die Ereignisse detailliert wiederzugeben…
Der Autor kommt zum Schluss »Führerkult, extremer Nationalismus, Antisemitismus, xenophobe Minderheitenfeindlichkeit, kollektivistisches Denken in Gesellschaft und Wirtschaft, Antiliberalismus, Antidemokratismus, Antiokzidentalismus prägten die folgenden drei Diktaturen des Königs, der Armee und der Kommunisten zwischen 1938 und 1989. Die Armeediktatur hat überdies den Massenmord an der jüdischen Bevölkerung begangen.«
Dem sehr interessanten, leider wenig bebilderten Buch fehlen Landkarten, um die erwähnten Städte und Regionen zu verorten. Es erweitert trotzdem den Wissenshorizont.

Der rumänische General Ion Antonescu putsche 1941 gegen den König und proklamierte zusammen mit der »Eisernen Garde« den »National-Legionären-Staat«. Das Bild zeigt ihn bei einem Treffen mit Adolf Hitler im Juni 1941 in München.