Erinnerung, Freude, Solidarität

16. Mai 2017

Festveranstaltung zum 70. Geburtstag der VVN in Frankfurt/Main

An dieser Geburtstagsfeier stimmte einfach alles: Die Stadt Frankfurt, als der Ort, in dem die VVN vor 70Jahren gegründet wurde und deren Oberbürgermeister, Peter Feldmann, ein eindrucksvolles Grußwort hielt. Die mitreißenden künstlerischen Beiträge, allen voran die Einstimmung durch Jazzlegende Emil Mangelsdorf, der den Saal zu standing ovations hinriss, ebenso wie später Marius Banica und Peter Ruppert von der Sinti- und Roma-Philharmonie, die anerkennenden Worte des Präsidenten der FIR, Vilmos Hanti, der gemeinsam mit dem Exekutivausschuss der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) nach Frankfurt gekommen war und das Gefühl der Verbundenheit, das langjährige Weggefährten wie Beate Klarsfeld und Romani Rose vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, in ihren Ansprachen bekundeten. Am Ende dauerte die Feier viel länger als geplant, doch das gehört bei einem guten Fest eigentlich dazu.

Beate Klarsfeld erinnerte in ihrem Grußwort an gemeinsame Kämpfe:

»Ich will aber auch ein Wort des Dankes halten, für die jahrelange Unterstützung, die ich seit vielen Jahren von Euch auf allen Gebieten erhalten habe. Da wir uns heute in einem historischen Ort befinden, dem Haus Gallus, in dem vom 3. April bis zum 20. August 1965 der historische Frankfurter Auschwitz Prozess stattfand, möchte ich Euch zuerst dafür danken, dass Ihr mit Eurem Strafantrag vom Juni 1960 gegen Klaus Barbie den Auslöser brachtet, dass sein Prozess eines Tages in Lyon stattfinden konnte. Ihr hattet mit einem Verfahrenstrick erreicht, dass trotz des deutsch-französischen Überleitungsvertrages, der eigentlich nicht zuließ, in München am 23. Juni 1960 ein Ermittlungsverfahren gegen den ›Schlächter von Lyon‹ wegen seiner in Frankreich begangen Verbrechen zu eröffnen. Am 22. Juni 1971 hatte der Münchner Staatsanwalt Rabl die Einstellungsverfügung im Fall Barbie veranlasst. Dieser Beschluss war nicht öffentlich gemacht worden. Im französischen Dokumentationszentrum in Paris erhielt ich eine Kopie hiervon. Die Begründung war unannehmbar, und das war der Auslöser für uns, zu handeln. Im Mai dieses Jahres werden in Lyon und Izieu Veranstaltungen zum 30. Jahrestag des Barbie-Prozesses stattfinden.«

Stefan Körzell, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstands des DGB betonte in seiner Laudatio:

»…Ich denke, hier wird deutlich, dass Antifaschismus keine Schön-Wetter-Veranstaltung sein darf, sondern dass Antifaschismus und der Kampf gegen Rechts das alltägliche Handeln bestimmen muss. Die alltägliche Auseinandersetzung mit der Politik der AfD gehört dazu. Denn eine Partei, die von sich selbst behauptet, sie will mit der grün-links versifften Epoche brechen, wendet sich auch gegen Gewerkschaften, die Mitbestimmung und das Selbstbestimmungsrecht der Menschen. Wir dürfen nicht zulassen, dass solche Politiker wie Höcke, Gauland, Glaser, Meuthen, Petry, und wie sie alle heißen, die Deutungshoheit über die deutsche Geschichte und somit einen fundamentalen Bruch mit den Lehren aus dem Faschismus vollziehen.
Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, alles dafür zu tun, so wie es die VVN und der Bund der Antifaschisten seit ihrer Gründung 1947 getan hat und tut, rechtsextreme Tendenzen aufzuzeigen, für Parteienverbote, wie für das der NPD zu kämpfen und dem Antifaschismus den Stellenwert zu geben, den er verdient.«

In seiner Ansprache zur Geschichte der Organisation erinnerte Bundessprecher Ulrich Schneider an zwei Aspekte, die den Charakter der Organisation nachhaltig veränderten:

»Das erste war die politische Öffnung der Organisation für nachgeborene Generationen vor 45 Jahren mit dem Oberhausener Kongress 1971. Die Gründung und der Aufstieg der NPD machten deutlich, dass neben den alten Faschisten in ihrer Traditionspflege Neofaschismus eine reale politische Gefahr darstellt. Hiergegen engagierten sich nicht nur die Überlebenden, sondern auch Gewerkschaften und Parteien sowie Jugendliche. … Auf der anderen Seite wurden erhebliche Defizite in der Vermittlung der Geschichte des Widerstands sichtbar, so dass vor 50 Jahren Überlebende, Historiker und Pädagogen den Studienkreis Deutscher Widerstand in Frankfurt gründeten.
Es ging darum, einerseits das Vermächtnis der Überlebenden an die jungen Generationen weiterzugeben, andererseits die jungen Generationen mit Verantwortung für die Zukunft des Antifaschismus in diese Organisation zu integrieren. Damit war klar, dass nicht nur das politische Anliegen, sondern auch die Organisation eine längerfristige Perspektive haben soll.
Und trotz aller ›Reibungsverluste‹, die es damals in manchen Orten gab, wurde diese Integration erfolgreich vollzogen. …
Die zweite existenzielle Veränderung war der Umbruch 1989/90, als mit dem Ende der finanziellen Absicherung der Arbeit und der ideologischen Auseinandersetzungen nach dem politischen Ende der DDR auch die VVN in eine Existenzkrise gestürzt wurde.
Das bedeutete damals: Fast alle hauptamtlichen Strukturen brachen weg, Zahlreiche Mitglieder verließen die Organisation.
Wir erlebten einen massiven politischen ›Gegenwind‹, da Antifaschismus als ›DDR-Ideologie‹ denunziert wurde.
In dieser Periode haben sich besonders unsere älteren Mitglieder mit großem persönlichem Einsatz für den Erhalt der Organisation eingesetzt. Mit ihrer Hilfe und dem Engagement viele Nachgeborener gelang es, die Organisation zu stabilisieren, zu profilieren und zu einem weiterhin beachteten politischen Faktor zu machen.«