Der Anti-Trump

geschrieben von Thomas Willms

18. September 2017

Eine US-amerikanische Serie mit prophetischen Elementen

Außer vom jeweils realen wird die Welt auch noch von ungezählten künstlerischen Versionen des US-Präsidenten bevölkert. Das ist auch kein Wunder, ist er nun einmal einer der wichtigsten Menschen des Planeten und darüber hinaus auch noch Sinnbild und Projektionsfläche für das, wie auch immer zu verstehende, eigentlich Amerikanische, seine Ziele und Werte.

Zwei Fernsehserien sind dabei gerade besonders interessant. »House of Cards«, mittlerweile in der vierten Staffel, hat sich offenbar zum Ziel gesetzt, auch noch den letzten Anflug von optimistischem Pathos, der diesem Genre eigen ist, zu zersetzen. Es ist fast schon grauenhaft, dem charismatischen Kevin Spacey dabei zuzusehen, wie er durch unglaublichen Zynismus das Amt erst erobert und dann verteidigt und sich für nichts anderes als die Macht an sich begeistert. Das ist, auch mittels Elementen des epischen Theaters – »Meine Damen und Herren vor den Bildschirmen, passen sie genau auf was ich jetzt tue …« künstlerische Höchstleistung. Leider ist es auch völlig demoralisierend.

Etwas weniger anspruchsvoll, aber dafür auch weniger würgend, geht es bei »Designated Survivor« zu. Die eigenen politischen Repräsentanten in die Luft gejagt zu sehen ist dem amerikanischen Fernsehpublikum, insbesondere seinem rechts gestrickten Teil, bekanntlich immer wieder ein freudiges Erlebnis. Im Laufe des Jahres 2016 muss es wohl ein besonders großes Bedürfnis danach gegeben haben, denn in der im September erstmalig ausgestrahlten Eingangsfolge wird wirklich kurzer Prozess gemacht. Während der »Rede an die Nation« gehen Präsident, Senat, Repräsentantenhaus und Supreme Court mit dem Capitol zusammen in die Luft.

Für eine solche Gewaltfantasie gibt es allerdings auch noch eine andere Erklärung als den spezifisch US-amerikanischen staatsfeindlichen Extremismus, der seine Wurzeln in der Siedlerbewegung des 19. Jahrhunderts hat und deren aktueller Ausfluss die Präsidentschaft Trumps ist. Die Macher von Designated Survivor neigen eher zu den Democrats und werden von einer tiefen Verzweiflung über die ideologiegetriebene Selbstblockade des politischen Systems getrieben, so dass z.B. die Einführung einer annähernd allgemeinen Krankenversicherung durch Präsident Obama zum Höllenakt wurde.

Der Kunstgriff besteht nun darin, nach der Tabula Rasa einen ganz und gar unpräsidialen Ersatz-Präsidenten aufs Podium zu setzen. Tatsächlich gibt es die Funktion des »vorherbestimmten Überlebenden« wirklich, d.h. einen armen Polittropf, der fernab vom Geschehen als allerletzter Notnagel für den Fall des Falles zurückgehalten wird. Hier ist es der Wohnungsbauminister, eine an sich schon irgendwie europäisch anmutende Funktion. Diese Rolle ausgerechnet mit Kiefer Sutherland zu besetzen, ist eine bemerkenswerte Idee gewesen, steht er doch für eine äußerst bekannte und umstrittene andere Rolle im Präsidentenfilm-Genre. Als Geheimagent Jack Bauer war er in »24« zu allen, aber auch wirklich allen Schandtaten bereit, um den Präsidenten zu retten (siehe »antifa«, 2/2011).

Hier nun zelebriert er als Präsident Kirkman das Gegenteil. Vage an John F. Kennedy erinnernd, bräuchte der arme Mann doch nun wirklich einige Zeit, um sich an die neue Aufgabe heranzutasten. Doch natürlich bleibt ihm die nicht – insofern kommt man doch wieder in den Thriller-Modus – sondern er muss ganz im Gegenteil alle möglichen im Machtvakuum aufbrechenden internen und externen Krisen bewältigen, ganz zu schweigen von der Suche nach den Schuldigen für den Anschlag. Sutherland kann ausspielen was er am besten kann: unsicher mit dem Kopf zucken, waidwund gucken, die Schritte plötzlich verlangsamen, die Stimme brechen lassen und sich in dieser Rolle auch noch von Generälen und Provinzpolitikern anpöbeln lassen. Kirkman fehlt scheinbar die Härte, die Bauer auf jeden Fall zu viel hatte. Dieser Mann ist einfach in Ordnung, unparteiisch und geeignet, die Gräben zwischen Democrats und Republicans zu überbrücken. Auch in der Realität gibt es gelegentlich Beispiele für solches Versöhnlertum. Eines wäre der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain, der im Senat immerhin Obamas Krankenversicherung gegen Trump rettete. Eine Reform, die er selbst stets heftig bekämpft hatte.

Von prophetischer Weitsichtigkeit ist »Designated Survivor« angesichts des (in seiner Art an dschihadistischen Terror erinnernden) nazistischen Terroranschlags von Charlottesville.

Als eigentlicher Gegner Kirkmans stellt sich nämlich, nachdem die üblichen arabischen Terroristen als Täter aussortiert werden, eine tief in die Sicherheitsapparate eingebundene rassistisch-rechtsradikale Erweckungsbewegung heraus.

Anders als im Film hat diese in der Realität leider einen verständnisvollen Freund im Weißen Haus.