Zeitlebens unangepasst

geschrieben von Leo Rauh

16. November 2017

Neue Forschungen zu Ewald Naujoks

Auf der Suche nach Unterlagen zur lokalen Geschichte der VVN in Bayreuth konnte, unter anderem, ein Durchschlag des Gründungsprotokolls aus dem Jahr 1946 gefunden werden. Verfasst hat es der ehemalige politische Häftling Ewald Naujoks, der in dieser Versammlung als Schriftführer fungierte.

Foto: Teilnachlass Ewald Naujoks in der Wilhelm- Leuschner-Stiftung, Bayreuth (Repro: Leo Rauh)

Foto: Teilnachlass Ewald Naujoks in der Wilhelm-
Leuschner-Stiftung, Bayreuth (Repro: Leo Rauh)

Ewald Naujoks wurde 1903 in Ostpreußen geboren und war während der Weimarer Republik in verschiedenen sozialistischen und sozialdemokratischen Jugendorganisationen tätig. In der Zeit des Nazidiktatur beteiligte er sich in Berlin an illegalen Zusammenschlüssen (»Rote Kämpfer«, »Sozialwissenschaftliche Vereinigung« und »Sozialistischer Aufbruch« in Berlin-Köpenick). 1940 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und arbeitete als Statistiker und Dolmetscher. Ende 1943 wurde er denunziert und verhaftet. Nach seiner Verhaftung erwartete er seine Aburteilung beim Volksgerichtshof, der jedoch wegen der Bombardierung im Februar 1945 nicht mehr tagen konnte. Mit 270 anderen Gefangenen wurde er in das Zuchthaus St. Georgen nach Bayreuth verlegt, wo er den Tag der angesetzten Erschießung überlebte und unter abenteuerlichen Umständen im Zuge der amerikanischen Übernahme Bayreuths befreit wurde.

Naujoks blieb in Bayreuth. Er organisierte die politisch und rassisch Verfolgten und versuchte ihre Interessen zu vertreten. Dabei stieß er immer wieder auch auf Grenzen und Widerstände. In der ehemaligen Gauhauptstadt der Bayrischen Ostmark wurde, wie allerorten, die Entnazifizierung nach anfänglichem Eifer immer oberflächlicher betrieben und so mancher Nazi hat sich selbst zum Widerstandskämpfer und Opfer stilisiert.

Damit hat sich Ewald Naujoks zeitlebens nicht abgefunden. Bis Ende der 40er Jahre war er in der VVN Bayreuth und im Landesvorstand Bayern tätig. Zeitgleich versuchte er in Bayreuth, wieder politische Jugendarbeit zu organisieren. Jungsozialisten, Sozialistische Arbeiterjugend (SAJ), Die Falken und Andere können auf sein anfängliches Wirken zurückblicken. Auch in der Gewerkschaft war Naujoks aktiv und als Delegierter beim Ersten Bayerischen Gewerkschaftskongress in München.

Nach Problemen mit dem Unvereinbarkeitsbeschluss der SPD bezüglich der VVN und einer seit der Jugendzeit bestehenden kritischen Distanz zur Politik der KPD ist keine Parteizugehörigkeit von Ewald Naujoks bekannt.

Bei Ewald Naujoks findet man auch die Anfänge der Friedensbewegung in Bayreuth von der Volksbefragungskampagne gegen die Wiederbewaffnung bis zu den Ostermärschen. In der DFG (Deutsche Friedensgesellschaft) war er lange aktiv. Ebenso im Bund für Geistesfreiheit (BfG) und in der Internationale der Kriegsdienstgegner (IdK).

Ewald Naujoks ist vielen in Erinnerung geblieben. Seine umfassende Bildung und seine Fähigkeit auch zuhören zu können, wird immer wieder betont. Er war aber gleichzeitig ein Einzelgänger und in vielem »unangepasst«. Im wirklichen Sinne ein Original. Von den einen geliebt und von anderen gehasst. Wenn er um seine Überzeugungen stritt, dann ging er auch keinem Konflikt aus dem Wege. Gerade bei jungen Menschen kam er gut an, seine Beratungstätigkeit für Kriegsdienstverweigerer wurde von den Betroffenen hoch geschätzt.

Nach seinem Tod im Jahre 1985 wurde Ewald Naujoks’ Nachlass von Norbert Aas gesichtet und es entstand die Schrift »Von der Illegalität in Berlin zur Opposition in Bayreuth« (Bayreuth 1988, ISBN 978-3-926392-03-9). Der größte Teil des Nachlasses liegt heute unbearbeitet bei der Wilhelm-Leuschner-Stiftung in Bayreuth, die mangels öffentlicher Unterstützung nicht in der Lage ist, das Material wissenschaftlich aufzuarbeiten. Die ersten Schritte der Sichtung, systematischen Erfassung und Digitalisierung erfolgten nun ehrenamtlich durch uns. Die Arbeit wird lange Zeit in Anspruch nehmen, wir wollen jedoch auch schon Zwischen- und Teilergebnisse veröffentlichen.

Zur Biografie Ewald Naujoks in seiner Berliner Widerstandszeit ergeben sich viele Fragen, da sein Nachlass, mit ganz wenigen Ausnahmen, erst mit der Befreiung in Bayreuth einsetzt.

Wer kann uns Quellen und Empfehlungen zur »Gruppe Rote Kämpfer« bzw. zur »Sozialwissenschaftlichen Vereinigung« oder der Köpenicker Gruppe »Sozialistische Erneuerung« in der Illegalität geben? Wer kann Angaben über weitere Biografien machen, die auf den Transport der Volksgerichtshof-Gefangenen nach Bayreuth St. Georgen im Februar 1945 hinweisen. Gibt es noch Menschen, die sich an Ewald Naujoks im Zusammenhang mit der Friedensbewegung im weitesten Sinne erinnern können? Für Hinweise wären wir dankbar!

Kontaktadresse: vvn-bda.bt@web.de

Leo Rauh ist Sprecher der VVN-BdA KV Bayreuth