Wer wurde geehrt?

geschrieben von Ulrich Schneider

8. Februar 2018

Briefmarken als Spiegel offizieller Geschichtsbilder

Im Herbst 2017 erlebten Freunde schöner Briefmarken eine echte Überraschung – zwei Sonderbriefmarken für den ehemaligen Buchenwald-Häftling Walter Krämer. Herausgegeben wurden diese Marken im Nennwert von 0,70 € (Normalbrief) von der Kreisvereinigung Siegen-Wittgenstein der VVN-BdA als Reaktion auf die Entscheidung einer regionalen Abstimmung über den »bedeutendsten Siegen-Wittgensteiner«. Gewonnen hatte bei dieser Presseabstimmung mit einer überzeugenden Mehrheit Walter Krämer. Im Rahmen des Angebotes »Briefmarke Individuell« der Deutsche Post entwickelte die Kreisvereinigung die beiden Marken, die jetzt zum Blockpreis von 20,00 € vertrieben werden. Das Interesse – nicht allein in der Region – an diesen Briefmarken ist groß.

Bezugsquelle für die Briefmarken per E-Mail an vvn-bda@gh-siegen.de

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per E-Mail an vvn-bda@gh-siegen.de

Das Beispiel erinnert daran, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten die Erinnerung an den antifaschistischen Widerstand, an die Orte faschistischer Verfolgung und Gedenkorte in vielfältiger Weise auch in Briefmarken-Editionen niederschlug. In besonderem Maße waren die DDR und ihre Post mit zahlreichen Editionen daran beteiligt. Es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, alle Ausgaben der vierzigjährigen Geschichte aufzulisten. Zu vielfältig waren die Markenserien, Sondereditionen und Briefmarkenblöcke, die in der Philateliegeschichte der DDR diesem Thema gewidmet waren. Einige Beispiele sollen aber zur Illustration genannt werden.

Schon zu Zeiten der SBZ fanden sich auf den Länderausgaben in Mecklenburg-Vorpommern der Sozialdemokrat Rudolf Breitscheid, der Katholik Erich Klausener und der Kommunist Ernst Thälmann als Opfer des Faschismus geehrt.

Legendär sind die Sonderbriefmarken Mitte der 50er Jahre anlässlich der Errichtung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätten in Buchenwald, Sachsenhausen und Ravensbrück. Diese Marken waren als Zuschlagmarken konzipiert, bei denen der Käufer nicht nur den Frankierwert, sondern gleichzeitig eine Spende für den Aufbau und Erhalt der Gedenkstätte bezahlte. Etwas Besonderes waren dabei die philatelistischen Sonderblöcke, die mit dem Vierfachen des Markenwerts (0,20 + 0,80 M) als Spendenanteil zum Aufbau der Gedenkstätte herausgegeben wurden und schnell vergriffen waren.

Bezugsquelle für die Briefmarken per E-Mail an vvn-bda@gh-siegen.de

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per E-Mail an vvn-bda@gh-siegen.de

Anlässlich von Jubiläen wurden auch für den Export Briefmarkenserien herausgegeben, in denen Szenen des antifaschistischen Kampfes in Deutschland abgebildet waren. Zu erinnern ist an die große Serien der »Helden des antifaschistischen Freiheitskampfes« zur Erinnerung an die Internationalen Brigaden, die Schulze-Boysen/Harnack-Organisation oder antifaschistische Sportler, deren Portrait mit einer Zeichnung der Sportart verbunden war.

Große Anerkennung erfuhr auch die 1963 begonnene Sondermarkenedition zu den »Internationalen Mahn- und Gedenkstätten« in Europa, auf denen bis 1989 Bilder der Gedenkstätten von Oradour (Frankreich), Wolgograd (Sowjetunion), den Adreatinischen Höhlen (Italien), Puten (Niederlande), Breendonk (Belgien) oder dem Treptower Park (DDR) abgebildet wurden. Es ist fast überflüssig zu erwähnen, dass es in der DDR auch mehrere Sonderbriefmarken für die FIR gegeben hat.

In der BRD gab es in den 60er Jahren erste zaghafte Ansätze, das Thema auf Briefmarken zu behandeln. Bekanntermaßen galt der Widerstand bis dahin im offiziellen Geschichtsbild eher als Vaterlandsverrat. Zum 20. Juli 1964 erschien ein Sonderblock mit acht Portraits, die das bundesdeutsche Widerstandsverständnis deutlich zeigten. Sie bezogen sich auf den akademischen, militärischen und christlichen Widerstand. Einzig Wilhelm Leuschner gehörte der Arbeiterbewegung an. Später folgten – dem bundesdeutschen Geschichtsbild folgend – Briefmarken zu Kardinal von Galen, der Weißen Rose, Anne Frank und – als positive Erweiterung – Georg Elser. Auch die Erinnerungsmarke an Hannah Arendt kann man dieser Liste zuordnen, gehörte sie doch auch zu den Verfolgten des Naziregimes.

Dass sich andere Länder weniger schwer damit tun, mag ein Blick nach Frankreich zeigen. Dort wurde beispielsweise Marcel Paul, der langjährige Präsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos anlässlich seines 100. Geburtstags mit einer Portrait Briefmarke geehrt.