Wachsender Protest

geschrieben von Ulrich Schneider, Generalsekretär der FIR

4. April 2018

Gegen die Vernetzung der militanten europäischen Rechten

Seit einigen Jahren sind verstärkte Bemühungen der militanten neofaschistischen Kräfte in Europa erkennbar, Aktionen und ihr Auftreten zu internationalisieren. Sie entwickeln eine eigene »Europa-Strategie«.

Sichtbar wurde das im Februar 2017 bei einem Treffen, das auf Einladung der Gruppe Casa Pound in Genua geplant war. Zwar verhinderte der breite antifaschistische Protest eine angekündigte öffentliche Kundgebung, aber das Treffen fand in dem Organisationssitz als interne Veranstaltung mit verschiedenen ausländischen Delegationen statt. Es war der Auftakt für weitere Beratungen und Treffen, die sich mit der Frage des gemeinsamen Auftretens in Europa beschäftigten.

Eine Struktur, die sich dabei als internationales Neonazi-Netzwerk einbringt, sind die Akteure von »Blood and Honour«, deren Tätigkeit in Deutschland zwar verboten ist, die aber dennoch auch in hier aktiv sind. So fand beispielsweise Mitte Januar 2018 in Deutschland ein Treffen von Vertretern von »Blood and Honour Hungaria« mit westeuropäischen Neonazis zur Vorbereitung der Aktion »Festungsstadt Budapest« am 10. Februar 2018 statt. Die Aktion solle daran erinnern, dass sich Budapest – so das neonazistische Narrativ – dem Vordringen der »bolschewistischen Horden« im Februar 1945 heldenhaft entgegen gestellt habe. Natürlich nahmen an diesem »Gedenken« internationale Delegationen, u.a. aus Deutschland teil.

Als fixes Datum des internationalen Neonazi-Netzwerkes hat sich seit einigen Jahren – spätestens seit den erfolgreichen antifaschistischen Gegenaktionen gegen das neofaschistische Dresden – Gedenken – der »Lukow-Marsch« Mitte Februar in Sofia (Bulgarien) entwickelt. Am 17. Februar führten in diesem Jahr zum 15. Mal mehrere hundert Neonazis aus Bulgarien, Deutschland, Griechenland, Russland, Schweden und Ungarn sowie weiteren europäischen Ländern einen Fackelmarsch zu Ehren des faschistischen Generals Hristo Lukow durch. Lukow war bulgarischer Kriegsminister und Führer der ultranationalistischen Organisation »Union der nationalen bulgarischen Legionen«. Er war ein »extrem brutaler Unterstützer Hitlers«. Er drängte die Regierung, bulgarische Juden in die Todeslager nach Deutschland zu deportieren und er war auch ein glühender Befürworter der Idee, zehn bulgarische Divisionen an die Ostfront gegen die Rote Armee zu schicken. Wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg zum Tode verurteilt und exekutiert.

Auf dem diesjährigen Fackelzug waren Nazi-Uniformen und Symbole zu sehen, wurden Parolen gegen Ausländer, religiöse und ethnische Minderheiten und insbesondere Flüchtlinge skandiert. Zu sehen waren zahlreiche junge Menschen mit Glatzköpfen und Nazi-Tattoos, begleitet von Musik, Märschen, Fahnen und Bengalos. Auch hier war als organisierende Kraft der bulgarische Zweig von »Blood and Honour« erkennbar. Interessant ist, dass auf der Vorabendveranstaltung für die internationalen Gäste Matthias Peyda (»Die Rechte«, Dortmund) auftreten konnte und dort für die Demonstration »Europa erwache!« werben konnte. Am Aufmarsch selber nahm aus Deutschland auch eine Gruppe des »Dritten Wegs« teil, deren Wimpel in Videos zu sehen war.

Die »akademischen« Neonazis planten für Anfang März ein Vernetzungstreffen unter dem Titel »Verteidigung Europas« im österreichischen Wasserschloss in Aistersheim. Offiziell ein Kongress ist es – nach Aussagen des antifaschistischen Bündnisses »Linz gegen rechts« – »in Wirklichkeit ein Vernetzungstreffen von Rechtsextremen aller Couleur«. Hier sollen die Verbindungen zwischen den rechtsextremen Organisationen gefestigt, die Kontakte zu Gleichgesinnten ins Ausland gestärkt und gleichzeitig Österreich als Treffpunkt der extremen Rechten in Position gebracht werden.

Einen vergleichbaren Anspruch hat sicherlich die Partei »Die Rechte«, mit der für den 14. April in Dortmund angekündigten Demonstration »Europa erwache«. Halluziniert wird eine »Gleichschaltung der Völker, eine Zerstörung ihrer spezifischen Merkmale, Kulturen und Traditionen«. Und dazu sollen Neonazis aus verschiedenen – diesmal vor allem westeuropäischen – Ländern sprechen.

Hervorzuheben ist, dass sich gegen alle hier genannten Aktionen gesellschaftlicher Widerstand entwickelt hat. Die Mitgliedsverbände der FIR haben verstanden, dass es dringend geboten ist, solchen Bestrebungen aktiv und öffentlich entgegenzutreten.

In Genua konnte die öffentliche Kundgebung durch ANPI, Gewerkschaften und andere Initiativen verhindert werden. In Sofia protestierten zahllose gesellschaftliche und antifaschistische Kräfte, unter ihnen die Bulgarische Antifaschistische Union und das jüdische Netzwerk »Shalom«, 175.000 Menschen beteiligten sich an einer Online-Petition zum Verbot des Lukow-Marsches. In Linz mobilisiert ein breites Bündnis, an dem der KZ-Verband aktiv beteiligt ist, gegen das Vernetzungstreffen der »Verteidiger Europas« und in Dortmund bereiten verschiedene Bündnisse unter aktiver Mitwirkung der VVN-BdA Blockaden und andere politische Aktionen gegen den europäischen Neonazi-Aufmarsch vor. Auch die FIR selbst wird bei diesem Protest präsent sein.