Mit 14 Jahren ins KZ

geschrieben von Ludwig Einicke

5. September 2013

Rajmund Pajer hat seine Erinnerungen an Mauthausen vorgelegt

Nov.-Dez. 2010

Rajmund Pajer, Peter Gstettner, Christian Rabl »Ich war I 69186 in Mauthausen …«, 222 Seiten, Kitab-Verlag, Klagenfurt, 18 Euro

»Ich war I 69186 in Mauthausen …« lautet der Titel des Buches von Rajmund Pajer. Das »I« vor der Nummer steht für Italien, so wurden die italienischen Häftlinge im KZ Mauthausen gekennzeichnet. Indem wir die Schicksale, die sich hinter den Nummern verbergen, erforschen und öffentlich machen, schließen wir Lücken in der kollektiven Erinnerung. Nach dem Ableben der Zeitzeugen wird dies ein Mittel sein, der Nachwelt das Wissen an die faschistischen Untaten weiter zu geben.

Rajmund Pajer ist noch heute ein sehr lebendiger Mann. Wir begegneten ihm während unserer Gedenkfeier am 09.Mai 2010 in Ried/Riedmark, nahe Mauthausen, am Denkmal für die Opfer des Ausbruchs sowjetischer Häftlinge im Februar 1945. Er ist groß gewachsen, slowenischer Abstammung, von der Statur eines kanadischen Holzfällers. Nach dem Krieg fand er als Immigrant in Kanada eine neue Heimat.

Als er von den deutschen Besatzern nach einem Kampf mit jugoslawischen Partisanen verletzt aufgegriffen wurde, war er erst 14 Jahre jung. Sein Leidensweg führte ihn durch die Gestapo-Gefängnisse des damaligen Laibach (Ljubljana) und Vigaun (Begunje) in das KZ Mauthausen und seine Nebenlager St.Aegyd und Klagenfurt-Lendorf. Am 5.Mai 1945 wurde er in Mauthausen von US-Truppen befreit. Dass er die 13 Monate ununterbrochener körperlicher und seelischer Schikanen einigermaßen überstand, hatte er wohl seiner Jugend und körperlichen Verfassung zu verdanken.

Rajmund Pajer, der heute 80-Jährige, erzählt als einer der letzten lebenden Zeitzeugen jener Jahre in seinem erst 2010 erschienenen Buch über das, worüber er mehr als 40 Jahre geschwiegen hatte.

Als einer der jüngsten Häftlinge in Mauthausen wurde er im Oktober 1944 mit ca. 80 bis 100 anderen Leidensgefährten in das Nebenlager Klagenfurt – Lendorf deportiert. Dieses lag innerhalb eines Kasernenkomplexes der dortigen SS-Junkerschule.

Die Gefangenen mussten unter den Bedingungen zunehmender Bombardierungen durch alliierte Flieger für die Instandhaltung und Funktionstüchtigkeit der Gebäude sorgen. Die von Brandbomben hervorgerufenen Feuer an Gebäuden, auch außerhalb des Kasernengeländes, mussten von ihnen noch während der Bombardements gelöscht werden. Wer danach nicht innerhalb kurzer Zeit am festgelegten Ort erschien, galt als flüchtig und wurde nach dem Aufgreifen sofort erschossen.

Pajer schildert diesen Aufenthalt als eine gute Zeit, was die Überlebenschancen betraf – im Gegensatz zu Mauthausen, in das er Anfang 1945 zurückgebracht wurde.

Pajers relativ kurzer Aufenthalt in Lendorf-Klagenfurt war übrigens der eigentliche Hintergrund, vor dem unser Freund, der Universitätsprofessor Peter Gstettner aus Klagenfurt, in den 90er Jahren seine Recherchen zu Lendorf und die damit verbundene Suche nach Überlebenden dieses Nebenlagers von Mauthausen begann.

Pajer schreibt seine Geschichte auf als »Brief an einen Freund«, um es dem Leser einfacher zu machen, seine Gefühle und die historischen Fakten aus jener Zeit des Zweiten Weltkrieges zu begreifen, in der er in verschiedenen Konzentrationslagern und Außenkommandos war. Er möchte dem Leser etwas besonders Wichtiges zu Bewusstsein bringen: »Das KZ Mauthausen war bekannt als das härteste und grausamste aller Lager im deutschen Konzentrationslager-System, von allen Lagern in Deutschland bis hin zu den Lagern in den okkupierten Territorien.«

So ist ein Buch entstanden, in dem er selbst (in englisch und deutsch) zu Wort kommt, eine Brieferzählung über seine Odyssee von seinem Geburtsort Triest nach Mauthausen. Ein Buch, das betroffen macht, weil es von einem Betroffenen geschrieben wurde, spannend und detailliert, an Unvorstellbares und beinahe Unglaubliches erinnernd. Pajer betont immer wieder, dass er dem Geschehenen nichts hinzuzufügen hatte, weil er selbst es so erlebt habe. Trotzdem sind aus seiner Erzählung weder Hass noch Anklage oder Ressentiments herauszulesen.

Lange werden uns die Zeitzeugen, wie Prof. Gstettner schreibt, nicht mehr zur Seite stehen können. Es tritt an die Stelle des authentischen Zeugnisses die »sekundäre Zeugenschaft«, die aber voraussetzt, dass wir uns als »Zeugen zweiten Grades intensiv mit den Orten, die für Verfolgung, Entrechtung, Misshandlung und Leid stehen, aber auch für Überleben, Widerstand und Solidarität«, beschäftigen. Und Gstettner weiter: »Raymund Pajer hat mit seiner Erzählung dazu beigetragen, den nachfolgenden Generationen den Zugang zum Verstehen zu öffnen, dass damals eine Welt möglich war, in der alle Wertvorstellungen hinsichtlich der Würde und Achtbarkeit des menschlichen Lebens nichtig und hinfällig waren,… was wir damals verloren haben, was wir betrauern müssen – und was aus der Geschichte zu lernen ist.«