Auf dem rechten Weg…

geschrieben von Paula Gajdek

5. September 2013

Der Film »Kriegerin« soll Diskussionen anregen

März-April 2012

Ein prügelnder Mob rechter Jugendlicher zieht durch eine Regionalbahn irgendwo in Sachsen-Anhalt. Wer nicht ins faschistische Weltbild passt, wird erniedrigt, angegriffen und per Handykamera in seinem Leid eingefangen. Zivilcourage wird mit Baseballschläger und bloßen Händen in die Ecke gedrängt, Flucht unmöglich!

David Wnendt, Absolvent der Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam (HFF), zeigt in seinem Diplomfilm »Kriegerin« die Welt einer jungen Rechtradikalen. Marisa (Alina Levshin) ist 20 Jahre alt, lebt mit ihrer Mutter im Landkreis Bitterfeld und dort die Zwiespältigkeit einer starken Frau in rechten Kreisen aus. Eine Ideologie, die vorsieht, dass sie am Herd zu stehen, sich ihrem Mann unterzuordnen und die arische Rasse zu gebären hat. Eigentlich nicht das, was dem energischen, stolzen Charakter dieser Frau entspricht. Zwischen der vom Landser-Großvater anerzogenen Doktrin von »Holocaust-Lüge« und eiserner Härte, sowie ihrem Stand in der Kameradschaft als Freundin des »Gruppenführers« behauptet sie sich mit Gewalt und Unnachgiebigkeit. Wer dazugehören will, muss sich vor ihr beweisen, sich mit ihr gut stellen und vor allem ihren Respekt erringen.

»Kriegerin« versucht ein Erklärungsmodell zu liefern, wie faschistische Zusammenhänge sich scheinbar selbst rekrutieren. Autoritäre Eltern, das Bedürfnis, irgendwo hinzugehören oder einfach nur das sich Unverstandenfühlen. Dafür steht Svenja (Jella Haase), die als eine Art jüngere Version von Marisa fungiert. An ihr wird durchexerziert, wie junge Menschen den Weg in die rechte Szene finden. Wie Geltungsdrang, mangelnde menschliche Kontakte und das Versagen der Eltern als politischen Bildungsinstanzen den Weg in faschistische Gruppierungen zu ebnen scheinen.

Die Widersprüche in Marisas Leben brechen jedoch nach und nach auf, als sie mit dem afghanischen Flüchtling Rasul (Sayed Ahmad Wasil Mrowat) und dessen Bruder zusammentrifft. Über ihn und seine augenscheinlich unbelehrbare Art, ihre Nähe zu suchen, entsteht in ihr eine Art neuer Erkenntnis über die eigene Szene. Ihr Platz in der Kameradschaft und ihr eigenes Selbstverständnis geraten in Widerspruch, Anforderungen und eigene Wünsche driften auseinander. Sie beginnt, sich den »Regeln« zu widersetzen, aus den Strukturen auszubrechen, um am Ende einen ungemein hohen Preis dafür zu zahlen. Trotzdem lässt sich die klischeehafte Ausstiegssituation nicht eindeutig nachvollziehen.

Doch Wnendt will den Zuschauerinnen mehr als eine bedrückende Story vorsetzen. Als Regisseur hat er den Anspruch, dabei auch zu unterhalten. Deshalb entwirft er keine trüben, dunklen Szenen, sondern legt Wert auf malerische Bilder von ostdeutschen Sommerlandschaften. Diese Kontrastgestaltung gelingt ihm ungemein gut. Der Gegensatz verdeutlicht, dass schlimme Dinge auch in schöner Umgebung geschehen können. Innenansichten der Protagonistinnen gewinnen über die Zuhilfenahme der Handkamera an Intensität und befördern die Kinobesucher direkt in die Handlung. Aber auch eine Außensicht wird über die Kamera vermittelt, die eine kritische Distanz zu Figuren und Geschehen ermöglicht.

Der Film kommt als gut recherchierte Arbeit mit eindringlichen Szenen herüber, sein Konzept geht auf. Wnendts Auseinandersetzung mit Mädchen und Frauen in rechten Zusammenhängen schlägt sich in den Charakteren von Marisa und Svenja deutlich nieder. Beide Figuren sind diversen Schicksalen rechtsradikaler Frauen nachempfunden, angesiedelt irgendwo zwischen brachialer Gewalt und kindlicher Verletzlichkeit. Trotzdem versucht der Film nicht, Lösungsansätze für das Problem rechter, jugendlicher Gewalt zu bieten, sondern liefert Diskussionsansätze für mögliche Ursachen. Dies ist ihm auch in sehr authentischer Art und Weise gelungen. Marisa sollte nicht als typische Aussteigerin gesehen werden, vielmehr als Kriegerin, die verblendet von reaktionärer, konservativ-rassistischer Erziehung auf der Suche nach sich selbst und ihrem Platz in der Welt ist.