Ausgabe Mai/Juni 2023

geschrieben von Nils Becker

30. April 2023

Erinnern 2022 in Solingen, Foto: Jochen Vogler/ r-media-base.eu

Unser Titelbild zeigt das Erinnern 2022 in Solingen an den rassistischen Brandanschlag, an dessen Opfer auch in diesem Jahr gedacht wird. Vor nunmehr 30 Jahren wurden fünf Mitglieder der Familie Genç umgebracht, acht Menschen verletzt. Kurz vor der Tat war das Asylrecht in der Bundesrepublik faktisch abgeschafft worden. Foto: Jochen Vogler/ r-media-base.eu

Wer kennt hierzulande die Verteidiger des Warschauer Ghettos Mordechaj Anielewicz oder Marek Edelman? In Polen kennen sie alle. Bundespräsident Steinmeier hat in seiner Rede zum 80. Jahrestag des Aufstands in Polen mahnend auf die unterschiedlichen Erinnerungskulturen hingewiesen und dennoch hinzugefügt: »Wir Deutsche wissen um unsere Verantwortung, und wir wissen um den Auftrag, den die Überlebenden und die Toten uns hinterlassen haben. (…) Für uns Deutsche kennt die Verantwortung vor unserer Geschichte keinen Schlussstrich.« Zwischen all den salbungsvollen Floskeln muss sich Steinmeier die Frage gefallen lassen, warum die historische Verantwortung Deutschlands dazu verleitet, sich als fünftgrößter Waffenexporteur an Kriegen weltweit zu beteiligen – von den schwachen Bemühungen, Konflikte politisch zu verhindern, ganz zu schweigen. Apropos Warschau: Was ist eigentlich aus den Reparationsforderungen geworden? Die lehnt Deutschland bekanntlich ab. Es ist wirklich kein »Wunder«, dass es Versöhnung in Europa gibt, sondern Ausdruck der zwischenstaatlichen Kräfteverhältnisse, dass deutsche Interessen regelmäßig obsiegen. Wir freuen uns, dass auch in dieser Ausgabe dieser besondere Zynismus an mehreren Stellen entlarvt wird. Noch zwei weitere Dinge, über die wir uns als Redaktion freuen: Wir gratulieren unserer Autorin Janka Kluge zu ihrem juristischen Sieg gegen die Rome Medien GmbH (gehört dem Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt). Janka ist Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Trans­identität und Intersexualität e. V. (dgti). In einem Onlinebeitrag war Janka bewusst dem falschen Geschlecht »Mann« zugeordnet worden und sie wehrte sich gegen das Misgendern erfolgreich am Landgericht Frankfurt am Main. Ein weiterer Punkt: Mit dieser Ausgabe überschreitet antifa erstmalig die symbolische Grenze von 10.000 Exemplaren. Einerseits weil die Mai/Juniausgabe immer größeren Absatz findet, andererseits aber auch weil die Mitgliederzahlen unseres Verbandes sich weiter positiv entwickeln.

Inhalt der Ausgabe

Zeitgeschehen
Björn Höcke ist ein Nazi – Zeit für eine antifaschistische Kampagne (Thomas Willms)
Metaphorische Affen – Zum Plädoyer der Bundesanwaltschaft im Antifa-Ost-Verfahren (Alena Lagmöller)
Feindbild und Projektion – Anmerkungen zu Dirk Oschmanns Buch »Der Osten: eine westdeutsche Erfindung« (Regina Girod)
Ostermarsch reloaded – Genauer hingeschaut, wer wo zu Ostern auf die Straße ging (Ulrich Schneider)
Schöne Verpackung – Leitlinie »feministische Außenpolitik« oder die Quadratur des Kreises (Jacqueline Andres und Yasmina Dahm)
Sturm im Kreistag – Upahl: Beispiel einer rassistischen Mobilisierung in Nordwestmecklenburg (Axel Holz)
Niemals vergessen – Zum 30. Jahrestag des Solinger Brandanschlags (Inge Krämer)
Meldungen
Ich gab ein Versprechen ab – Gisela Heiden über ihren Großvater und den Kampf um die KZ-Gedenkstätte Sachsenburg (Interview von Maxi Schneider)
Ein Pulverfass – Welche Fragen nach dem Blutbad in Hamburg gestellt werden und welche nicht (Juliet Schnabel)
Sichtbarkeit erhöhen – Bau- und Begegnungstage der »Initiative für einen Gedenkort ehemaliges KZ Uckermark e. V.« (Interview mit Nandi von der Initiative von Andreas Siegmund-Schultze)
Endloses Wettrüsten – Gedanken zu Frieden in Europa nach dem 9. Mai 1945 und aktuellen Kriegen (Florian Gutsche)
Vorstoß zur Querfront – Berlin: »Ostdeutsches Kuratorium von Verbänden« konferierte mit extrem Rechten (Mathias Wörsching)

Leser:innenbriefe
Neue Dinge entdecken – Zur Webveranstaltung »NS-Vergleiche. Die deutsche Debatte um den Ukrainekrieg« (Thomas Hacker)
Zu antifa März-/Aprilausgabe, »Esthers Vermächtnis«, Seite 29 schreibt unsere Autorin Janka Kluge

Spezial: Rechte Rekrutierung
Verschwundene Kinder Eltern halten Nachwuchs von Schulen fern und orientieren sich an rechten Lernkonzepten (Lotta Maier/Andrea Röpke)
Wie in der »Hitlerjugend« – In Herboldshausen finden regelmäßig Veranstaltungen des neonazistischen und völkischen Milieus statt (Timo Büchner)

Porträt
Jahrzehnte engagiert im Bild – Der Künstler Guido Zingerl verstarb mit 90 Jahren (Ernst Antoni)

Geschichte
Abrechnung mit einem Mythos – Francesco Filippi korrigiert das Bild des italienischen Faschisten Benito Mussolini (Maurice Schuhmann)
Systematisch ausgeplündert – Bremen: »Arisierungs«-Mahnmal zum Raub an jüdischer Bevölkerung im NS-Staat (Henning Bleyl)
Stichtag der Barbarei – Zuerst brannten die Bücher: Zum 10. Mai 1933 in Nazideutschland (Janka Kluge)
Die Gleichschaltung – Schaffung kriegsbereiter »Volksgemeinschaft«: Der Weg zur Macht. Teil 5 und Ende der Serie (Ulrich Schneider)

Internationales
Demokratie oder Rebellion – Die Antiregierungsproteste in Israel zur Verteidigung des Rechtsstaats (Warda Morzi, Hashomer Hatzair)
Nicht mal mehr eine Fassade – EU: Hohe Haftstrafen für Geflüchtete und Helfende auf dem Mittelmeer (Jürgen Weber)

Kultur
Umkämpftes Feld – »Iftach el bab!« (»Tür auf!«): Meron Mendels Buch »Über Israel reden« (Sebastian Schröder)
Bitte keinen Krach – Das Buch »Massenradikalisierung«: Von der Mitte, für die Mitte, über die Mitte (Juliet Schnabel)
Naturaneignung – Klimakrise als möglicher faschistischer Mobilmacher (Nils Becker)
Zur Weltveränderung – Feministische Theorie als Ansage für den Umsturz. Ein Essayband vom Kollektiv MF 3000 (Peps Gutsche)
Das unbekannte Wesen – Richard Rohrmosers »Antifa«-Buch: Hohe Ansprüche, banal in der Umsetzung (Bernd Kant)
Aufräumen mit einem Mythos – Garantin einer rechtsstaatlichen Ordnung? Zwei Bücher zur Polizei (Christian von Gélieu)
Skrupulös komponiert – Hans-Albert Walters Anthologie über deutsche Exilliteratur (Janka Kluge)
Zeugnis ablegen – Zwei Veröffentlichungen zu Erinnerungen aus den KZs (Gerald Netzl)