Naturaneignung

geschrieben von Nils Becker

29. April 2023

Klimakrise als möglicher faschistischer Mobilmacher

Als am 15. März 2019 im neuseeländischen Christchurch der Rechtsterrorist Brenton Tarrant zwei Moscheen angriff und dabei 51 Menschen tötete, bezeichnete er seine Tat als »ökofaschistisch«. Er wolle eine natürliche Ordnung – die Vorherrschaft und »Reinheit der weißen Rasse« – wiederherstellen. Sein Verständnis von Ökologie ist nicht auf die Umwelt und den Ressourcenverbrauch bezogen, sondern auf den demografischen Wandel. Er geht damit auf den rassistischen Diskurs einer vermeintlichen Überbevölkerung (»Der große Austausch«) ein, in dem behauptet wird, dass der Klimawandel durch brutale Geburtenkontrolle in den ärmeren Ländern des globalen Südens aufzuhalten sei, statt die ökologischen Folgen des westlichen Wirtschafts- und Lebensmodells (also meist des eigenen) als Problem anzuerkennen. Gleichzeitig wird die Natur von Rechten mystisch-spirituell aufgeladen, mit einem eigenen Willen ausgestattet (»der Planet wehrt sich«), und Naturkatastrophen werden als unabwendbare Versuche, ein »natürliches Gleichgewicht« wiederherzustellen, dargestellt. Die Maßnahmen, die die unterschiedlichsten rechten Strömungen gegen den Klimawandel vorschlagen, führen so von den tatsächlichen Ursachen weg, sind oft rassistisch begründet und auf politischem Weg (aktuell zumindest) nicht durchsetzbar, weshalb eben von manchen zu den Waffen gegriffen wird. Der Krisenmodus der Rechten ist bekannt: Wie schon in der Pandemie wird auch beim Klimawandel erst mal alles geleugnet. Wenn die Tatsachen nicht mehr wegzudiskutieren sind, wird mit Eifer der Zusammenbruch sozialer Infrastruktur herbeigesehnt, unter dessen Bedingungen noch aggressivere Reaktionen, aber vielmehr der Umbau der Gesellschaft zur abgeschotteten Diktatur möglich, sind.

Den beiden Autoren, Sam Moore und Alex Roberts, die die Diskussionen innerhalb der extremen Rechten in den USA im Blick haben, geht es mit ihrem aktuellen Buch um einen Vorgriff auf die Zukunft, die uns – aufgrund der zunehmenden Zerstörung der Umwelt durch den Menschen – wohl häufiger mit rassistischen und autoritären Antworten darauf konfrontieren wird. Ihre »ökofaschistische Hypothese« warnt vor einer Zukunft, in der sich westliche Demokratien öfter dazu hinreißen lassen werden, menschenfeindliche Antworten auf die Folgen des Klimawandels zu finden.

Sam Moore, Alex Roberts: Außen grün, innen braun. Wie Rechtsextreme Klimakrise und Naturschutz für ihre Zwecke benutzen. Mit einem Vorwort von Natascha Strobl. Oekom, München 2022, 208 Seiten, 22 Euro

Sam Moore, Alex Roberts: Außen grün, innen braun. Wie Rechtsextreme Klimakrise und Naturschutz für ihre Zwecke benutzen. Mit einem Vorwort von Natascha Strobl. Oekom, München 2022, 208 Seiten, 22 Euro

Hierzulande wird »ökofaschistisch« eher als Beschimpfung von Umweltschützer*innen genutzt, um Proteste und staatliche Umweltschutzmaßnahmen als besonders in das eigene Leben eingreifend zu diffamieren. Der Begriff eignet sich zur Beschreibung des extrem rechten Ökologismus aber dennoch, da die von Rechten vorgeschlagenen Lösungsvorschläge faschistisch im Sinne der politischen Ideologie des 20. Jahrhunderts sind. Die Maßnahmen der extremen Rechten sind zum ersten auf den Nationalstaat bezogen, dessen Institutionen zweitens erst mal »revolutioniert« werden müssen, der sich drittens auf eine gleichgeschaltete Volksgemeinschaft beruft, die auch auf der Straße mobilisierbar ist, und der viertens klar abgegrenzte Feinde mit (para-)militärischen Mitteln ausschließt. Die Ökologie kommt dann über eine Naturpolitik hinzu, die sich auf vermeintliche Naturgesetze (z. B. Knappheit, Recht und Überleben der Stärken) beruft und die übliche kapitalistisch expansive (früher kolonialistische) Naturaneignung als völlig legitim und notwendig für die Herrschaft akzeptiert. »Ökofaschismus« ist demnach ein Teilaspekt des Faschismus, der die Grundlage für die rassistische Herrschaft in der Natur findet. Von dieser vollendeten Kombination sind wir in der Praxis noch weit entfernt, dennoch lassen sich in den aktuell auftretenden rechten Bewegungen alle dafür wichtigen Komponenten finden: Der Ökonaturalismus tritt für eine soziale Ordnung ein, die sich an dem vermeintlichen Vorbild der Natur orientiert. Das rechts-spirituelle Naturverständnis behauptet einen eigenen Ökoorganismus als Gesamtheit von Natur und Gesellschaft. Als drittes Element wird der Ökoautoritarismus – die antiliberale Durchsetzung als Lösungsstrategie – von allen geteilt.

Dabei ist die politische Strömung der extrem rechten Ökologie schon immer Bestandteil der Diskussionen über Naturverbrauch und der Aushandlung, wie kapitalistische Gesellschaft, deren soziale Rollen und Hierarchien reproduziert werden oder werden sollten. Inwieweit sie sich durchsetzen, ist eine Frage danach, ob andere Vorschläge kraftvoller dagegenhalten. Diesem Aspekt eines antifaschistisch informierten Umwelt- und Klimaschutzes widmet das Buch weite Strecken. Die Aufgabe für uns ist demnach, die Diskussion um Klimapolitik immer global und antirassistisch zu denken (Stichwort: Klimagerechtigkeit), die Spannungen und Widersprüche innerhalb der rechten Ökobewegungen zu verstärken, während die eigene Heterogenität und Vielschichtigkeit als strategische Ressource und taktische Stärke anerkannt werden sollte. Da der auf Jahrzehnte prognostizierte Klimawandel gefühlt dann doch innerhalb kurzer Zeit zur »Klimakrise« und mittlerweile schon längst zur »Klimakatastrophe« geworden ist, werden wir um das Thema der geeigneten Reaktionen darauf nicht herumkommen.