Das unbekannte Wesen

geschrieben von Bernd Kant

29. April 2023

Richard Rohrmosers »Antifa«-Buch: Hohe Ansprüche, banal in der Umsetzung

Im vergangenen Jahr veröffentlichte der renommierte C.-H.-Beck-Verlag unter dem anspruchsvollen Titel »Antifa – Porträt einer linksradikalen Bewegung« eine 200-seitige Veröffentlichung von Richard Rohrmoser.

Tatsächlich geht es Rohrmoser um sein Bild von »zivilgesellschaftlichem Engagement und radikaler Gewaltbereitschaft«, die er bei der Antifa heute sieht. Zum Verfasser heißt es, er sei Forscher zu Protestbewegungen und promovierter Zeithistoriker – »derzeit im Gymnasialdienst tätig«. Er ist also Lehrer. Ist das nicht »akademisch« genug?

Auffällig sind in dem Buch der hohe Anspruch und die banale Umsetzung. So versucht der Autor auf 35 Seiten nicht nur die Anfänge der antifaschistischen Bewegung von 1920 bis 1945 nachzuzeichnen, sondern gleichzeitig noch Aussagen über die Wirklichkeit der faschistischen Systeme in Italien und Deutschland zu liefern. Der Rezensent selbst würde sich nicht zutrauen, auf sechs Druckseiten das Thema »Die NS-Diktatur und der Widerstand« angemessen darzustellen.

Richard Rohrmoser: Antifa. Porträt einer linksradikalen Bewegung. Von den 1920er Jahren bis heute. C. H. Beck, 2022, 208 Seiten, 16 Euro

Richard Rohrmoser: Antifa. Porträt einer linksradikalen Bewegung. Von den 1920er Jahren bis heute. C. H. Beck, 2022, 208 Seiten, 16 Euro

Auch seine Auswahl der »antifaschistischen Verbände seit dem zweiten Weltkrieg« ist irritierend. Dass er der VVN fünf Seiten widmet, ist schon mehr, als man in den traditionellen Verfassungsschutzberichten gewohnt war. Substanzieller ist der Text jedoch auch nicht ausgefallen. Warum er die KPD und die DKP, denen er zusammen drei Seiten widmet, in dieser Liste nennt, hat wohl eher was mit den Referenzberichten der Inlandsgeheimdienste zu tun als mit der inhaltlichen Durchdringung des Themas.

Die Hälfte des Buches widmet der Autor seinem »Lieblingsgegenstand«, der »autonomen Antifa«. Tatsächlich fand der Rezensent darin einige interessante historische Episoden, die in der jeweiligen Situation ihre Bedeutung besaßen – also mediale Zeugnisse hinterlassen haben. Sie sind aber für die Geschichte der »Antifa« nur bedingt von Bedeutung. Auch bei der Auflistung der behandelten Gruppen hat der Rezensent den Eindruck, der Autor habe sich am Register der jährlichen Verfassungsschutzberichte für die zu behandelnden Organisationen abgearbeitet. Nicolas Freund kritisierte zu Recht in einer Besprechung der Süddeutschen Zeitung, dass bei Rohrmoser »der Begriff Antifa beliebig wird«.

Aus seiner Sicht gehören dazu Dress-Codes, kulturelle Ausdrucksformen bis hin zu den Schnittmengen mit der Jugend- und Popkultur. Als zentrale Charakteristika nennt er: »Die autonome Antifa-Bewegung weist (…) ein breites Spektrum an Aktionsformen auf, das von antifaschistischer Aufklärungs- und Bildungsarbeit über Sabotageaktionen und Sachbeschädigungen bis hin zu Gewaltattacken auf politische Gegner*innen reicht.«

Vor diesem Hintergrund findet er es durchaus nachvollziehbar, dass »die autonome Antifa-Bewegung folglich mit staatlichen Einschränkungen und Repressionen wie Hausdurchsuchungen, Kontrollen und Überwachungen konfrontiert« sei. Zwar verweist er auf Kritiker am »Postulat der Äquidistanz«, mit dem der Verfassungsschutz seine Überwachung begründe, aber eine Kritik an der staatlichen Spitzelpraxis sucht man bei Rohrmoser vergeblich.

Bessere Bücher zum Thema:

  • Mirja Keller, Lena Kögler, Moritz Krawinkel, Jan Schlemermeyer: Antifa – Geschichte und Organisierung. Schmetterlingsverlag, Stuttgart 2018, 171 Seiten, 12 Euro
  • Ulrich Schneider: Antifaschismus. Geschichte einer politischen Bewegung. PapyRossa Verlag, Köln 2021, 135 Seiten, 9,90 Euro