Jahrzehnte engagiert im Bild

geschrieben von Ernst Antoni

29. April 2023

Der Künstler Guido Zingerl verstarb mit 90 Jahren

Es war ein schöner, ausführlicher und würdiger Nachruf, der dem Künstler Guido Zingerl im Februar in der Regionalausgabe der Süddeutschen Zeitung für für Stadt und Landkreis Fürstenfeldbruck gewidmet war. Ob der Geehrte allerdings die Überschrift »Abschied vom letzten großen Satiriker in der Kunst« in ihrer Ausnahmslosigkeit so akzeptiert hätte? Vermutlich hätte er gesagt: »Da gibt’s schon noch ein paar mehr.« Gegen die Unterzeilen nach dem Abschieds-Statement hätte er aber bestimmt nichts eingewendet: »Wenige Wochen nach seinem 90. Geburtstag ist der Fürstenfeldbrucker Maler Guido Zingerl am Donnerstag (23.2.2023) gestorben. Sein Leben lang hat er sich gegen Ungerechtigkeit und Faschismus eingesetzt.«

1933 unter dem Namen Heinrich Scholz in Regensburg geboren, wächst er in NS- und Kriegszeit heran, interessiert sich bald für Naturwissenschaften und Technik, studiert Maschinenbau und schließt 1957 mit Diplom ab. Es folgen Tätigkeiten in Feuerwehr-Branddirektionen in Düsseldorf sowie Westberlin und anschließend wissenschaftliche Mitarbeit am Institut für Holzforschung der Universität München. Eine Doktorarbeit dort bleibt unvollendet, der inzwischen künstlerisch Aktive beschließt 1960, als Maler, Zeichner und Karikaturist freischaffend tätig zu werden. »Zwischendurch Geldverdienst als Hilfsarbeiter und Lkw-Fahrer«, notiert er in der »Chronik« im Buch »Kassandrarufe«, das vor kurzem erschienen ist und eigentlich Zingerls 90. Geburtstag gewidmet war.

Guido Zingerl 2012 in seinem Atelier in Fürstenfeldbruck. Foto: Wikipedia

Guido Zingerl 2012 in seinem Atelier in Fürstenfeldbruck. Foto: Wikipedia

1961 kommt es zum Kontakt mit der Redaktion von tendenzen. Zeitschrift für engagierte Kunst. Heinrich Scholz, der 1962 den Künstlernamen Guido Zingerl annimmt, wird der Zeitschrift und ihrem Umfeld Zeit ihres Bestehens (bis 1990) als aktiver Mitarbeiter und -gestalter verbunden bleiben. Manche dort hatten bereits in den frühen 50er-Jahren gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik protestiert, viele waren später aktiv in Initiativen gegen nukleare Aufrüstung, aus denen – inspiriert vom »Ban the Bomb«-Movement in Großbritannien – auch die ersten deutschen Ostermärsche entstanden. Bereits 1958 ging diesen eine vom Kunsthistoriker und tendenzen-Gründer Dr. Richard Hiepe initiierte Wanderausstellung »Künstler gegen Atomkrieg« voraus, die beachtliche Resonanz fand. »Künstler gegen den US-Krieg in Vietnam« heißt dann 1965 eine weitere Wanderausstellung, deren Gestaltung und Organisation Guido Zingerl übernimmt. Auch diese Ausstellung kann einiges bewegen, vor allem was weiteres antimilitaristisches Engagement von Künstler:innen in bundesdeutschen Kunstszenen betrifft.

Zingerl war einer, der über Jahrzehnte hinweg mit seiner sehr eigenen Art solche Themenfelder – dazu gehören auch die permanente Auseinandersetzung mit altem und neuem Faschismus, das Ausloten der Auswirkungen ökonomischer Verhältnisse und, nicht zuletzt, historische Bezüge und Lehren für die Gegenwart – ins Bild bringen konnte. Mit vielen Darstellungsformen: vom kleinen Zeitungswitz über Comicformate bis hinauf zu großen Bilder-zyklen, bunten Tafelbildern und Triptychen.

Für die VVN-BdA und andere hatte er viel parat, was bei Demonstrationen und Kundgebungen mitgenommen und gezeigt werden konnte. Und wenn Ehrungen von NS-Verfolgten oder Widerstandskämpfer:innen anstanden und Zingerl um Hilfe gebeten wurde, entstanden große Grafiken, in deren Mitte er die jeweilige Person (Centa Herker-Beimler etwa oder Alfred Hausser) porträtierte und sie rundum umgab mit Episoden aus deren Leben. Solche Bilder machte er auch gerne autobiografisch: Wenn er etwa seine Frau Ingrid Scholz und sich selbst darstellte im Repressionswirbel, den um sie herum antikommunistische Bespitzler und Staatsinstitutionen erzeugten.

Umso erfreulicher ist es, dass in seiner Heimatstadt Fürstenfeldbruck das Schaffen des Künstlers Zingerl zunehmend besser gewürdigt wurde, wie auch die Trauerfeier dort bewies. Und auch in seiner Geburtsstadt Regensburg mehren sich Initiativen, Zingerls dort einst permanent ausgestellten Zyklus »Aufzeichnungen eines Donauschülers«, mit dem die Stadt 2004 sogar in Berlin für ihre Bewerbung als Kulturhauptstadt warb, wieder aus dem Archiv in einen ständigen Betrachtungsraum zu holen.

Das Buch mit den letzten Bilderzyklen des Künstlers, aktuellen Bezügen, historischen und mythologischen Rück- und Ausblicken:

Guido Zingerl: Kassandrarufe. Mit Texten von Werner Dreher. Begleitwort von Prof. Dr. Klaus Wollenberg. Der Bild- und Textband, 134 Seiten, Querformat, kann bezogen werden über: E-Mail: scholz-zingerl@t-online.de, Preis: 20 Euro