Sturm im Kreistag

geschrieben von Axel Holz

29. April 2023

Upahl: Beispiel einer rassistischen Mobilisierung in Nordwestmecklenburg

Im 500-Seelen-Dorf Upahl in Nordwestmecklenburg sollte schon laut Beschluss von Ende Januar eine Containerunterkunft für 400 Geflüchtete entstehen. Dagegen demonstrieren seit Monaten Menschen im Ort, aber auch in anderen nahe gelegenen Dörfern und unter Polizeischutz vor dem Kreistag in Grevesmühlen. Am 26. Januar wollten einige der 700 Demonstrant:innen den Kreistag stürmen – bei 120 eingesetzten Beamt:innen. Bis heute ist die Atmosphäre weiter aggressiv.

Regelmäßig sind unter den Demonstrant:innen auch AfD-Anhänger:innen und -Abgeordnete. Im Hintergrund aktiv und vor Ort präsent ist die eng vernetzte Neonaziszene der Region. Nicht zuletzt aus dem Dorf Jamel, in dem sich in den letzten Jahren eine extrem rechte Übermacht breitgemacht hat. Neonazis sowie andere Demokratieverächter und Menschenfeinde fokussieren sich gut darauf, Gruppen zu manipulieren, Hetze zu verbreiten, Ängste zu schüren und Kommunikationsdefizite der Behörden auszunutzen, kommentierte Daniel Trepsdorf vom Regionalzentrum für demokratische Kultur am 27. Januar die Situation im NDR-Journal. Tatsächlich wurde die Gemeinde an der Entscheidung des Landkreises nicht beteiligt.

Verständnis von CDU-Landrat

Mittlerweile hat ein Gericht das Vorhaben in Upahl gestoppt, allerdings weil die Baugenehmigung für die Geflüchtetenunterkunft fehlte. CDU-Landrat Tino Schomann äußerte mehrfach sein Verständnis für den Protest gegen die Containerunterkunft und erwähnte zugleich die Notwendigkeit, gegen Vorurteile anzugehen. Diesen Anspruch scheint er für sich selbst jedoch nicht zu erheben. Die Landkreise einigten sich mit der Landesregierung auf einen Aufnahmestopp im gesamten Landkreis Nordwestmecklenburg, berichtete der NDR am 30. März. Die Upahler Gemeinde beschloss zwischenzeitlich, dass dort überhaupt keine Unterkunft für Geflüchtete errichtet werden solle, hieß es in der Schweriner Volkszeitung vom 4. April.

Geflüchtete, die nicht in Upahl unterkommen können, müssen nun durch andere Gemeinden versorgt werden, aber auch der Kreis muss am Ende die ihm zugewiesenen Menschen versorgen. Die Reaktivierung einer Unterkunft in Warin aus den Jahren 2015 und 2016 für 150 Geflüchtete könnte da eine Hilfe sein, zumal hier ein konkretes Angebot eines privaten Eigentümers an den Landkreis vorliegt.

Fakenews, Vorurteile und Engstirnigkeit

Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hatte bereits Ende Februar für kleinere Unterkünfte plädiert, der Kreistag in Grevesmühlen nun eine Reduzierung der geplanten Unterkunft in Upahl auf 200 Plätze beschlossen. Aber eine Reihe von Demonstrant:innen und AfD-Abgeordneten will – wie nicht nur die Proteste in und zu Upahl deutlich machen – gar keine Geflüchteten in ihren Gemeinden. Falschinformationen, Vorurteile und Engstirnigkeit prägen das Klima vielerorts. In Loitz, einer kleinen Stadt bei Greifswald, lachten Demonstrant:innen die Kreisvertreter kurz vor den Protesten in Upahl und Grevesmühlen aus, als sie von Menschenrechtsverletzungen redeten, die Menschen dazu bringen, nach Deutschland zu fliehen. In Upahl gibt es nicht weniger Vorurteile. CDU-Landrat Schomann warnte am 30. März auf einem sogenannten Flüchtlingsgipfel der CDU-/CSU-Fraktion im Bundestag vor einem Tunesier in Wismar, der Frauen und Kindern nachstelle, obwohl die Staatsanwaltschaft trotz polizeilicher Verwarnung keine strafrechtliche Handlung erkennen konnte. So entstehen aus dem gefühlten Eindruck eines Landrats angebliche Tatsachen, werden mit dem möglichen Fehlverhalten einer Person alle Geflüchteten unter Generalverdacht gestellt. Hier hat die rassistische Mobilisierung der letzten Jahre gefruchtet, und Grundrechte sind bei den Rechten nur ein Privileg für sich selbst, nicht aber für andere.