Bankier und Helfer

geschrieben von Kurt Pätzold

5. September 2013

Eine außergewöhnliche Biographie über den Finanzmann
Siegfried Bieber

Juli-Aug. 2011

Erika Schwarz, »… zu Lasten meines Conto’s«. Siegfried Bieber. Jude – Bankier – Gutsbesitzer – Emigrant, Hentrich & Hentrich Berlin 2011, 176 S., 29. 90 Euro

Erika Schwarz erforschte die Lebensgeschichte des deutsch-jüdischen Bankiers Siegfried Bieber.

Auf dem Felde der Politik ist der Mann nie hervorgetreten. Auch dann nicht, als sich in der Endphase der Weimarer Republik die Rassisten mit dem Hakenkreuz formierten und nach der Staatsmacht griffen. Hat er ihnen den Erfolg nicht zugetraut? Oder hofft er, dass es »so schlimm nicht kommen werde«? Wir wissen es nicht. Jedoch als sich die Regierung Hitler fest in den Sattel gesetzt hatte, wusste er, was die -Glocke geschlagen hatte. 1934 verließ der Bankier Siegfried Bieber, ein Mann an der Spitze der Berliner Handels-Gesellschaft, Deutschland. In Berlin-Dahlem ließ er eine eben erst erbaute Villa, im Brandenburgischen einen schlossähnlichen Neubau zurück, dazu deren Ausstattungen. Ausgenommen einige wertvolle Gemälde. Sie hängen heute in einem New Yorker Museum, dem er sie in seinem Testament als Dank dafür vermachte, dass ihn die Vereinigten Staaten, sie waren sein und seiner Frau letzter Fluchtort, aufnahmen und deren Staatsbürgerschaft hatten erwerben lassen.

Vordem waren die Niederlande, die Schweiz und dann Ecuador Stationen eines Weges gewesen, auf dem das Ehepaar anders als viele Tausende aus dem Reich Vertriebene zwar keine Not litt, sondern sich den in Deutschland gepflegten Lebensstil bewahren konnte, jedoch begleitet wurde von der Sorge um die jüdische Großfamilie, von der viele Angehörige in Deutschland geblieben waren oder sich nur bis in Länder hatten retten können, die von der Wehrmacht erobert oder besetzt wurden. Die Biebers haben mit anderen entkommenden Angehörigen auf verschiedensten Wegen bis in die Jahre der Deportation Verwandten beizustehen gesucht. Sie gehören zu den Helfern jenseits der Machtgrenzen der faschistischen Herrschaft, deren Geschichte im Ganzen erst noch geschrieben werden muss. Geldzuwendungen wurden für die aus Pommern schon 1940 »nach dem Osten« Verschleppten auf den Weg gebracht. Manche erreichten ihre nach Ostpolen deportierten Empfänger noch. Die letzten kamen als »unzustellbar« zurück oder wurden ein Raub zugunsten der deutschen Kriegskasse.

Diesen Spuren folgend, weitet sich die Biographie des Bankiers zur Geschichte seiner Familie. Verwandte des Ehepaars und deren Nachkommen hat die Autorin in Großbritannien, Israel, der Slowakei aufgespürt. Dazu eine unvermutete Zahl von erhalten gebliebenen Dokumenten aus Lebenssituationen des Bankiers, die sich in den Archiven vieler Länder ermitteln ließen. Das Manuskript ist mit Unterstützung einer Stiftung in Liechtenstein zum Druck gelangt. Für ein paar Jahre waren der Bankier und seine Frau Staatsbürger des Fürstentums. Dessen Papiere haben ihnen den weiteren Weg über den Atlantik ebnen helfen. Die Vertriebenen traten ihn an, als ungewiss geworden war, was die sich über Europa ballenden Kriegswolken für ihr Dasein am malerischen Luganer See bedeuten würden.