Bewährung für den Minister

geschrieben von Max Ragwitz

5. September 2013

Die bundesdeutsche Abschiebepraxis verletzt die Menschenrechte

Jan.-Feb. 2011

Dem Bundeskanzler Konrad Adenauer wird das sinngemäße Zitat zugeschrieben: »Nehmt die Menschen, wie sie sind, es gibt keine anderen.« Ob der Alte in Bonn in diesem Zusammenhang weiland auch an Thomas de Maizière gedacht haben könnte, ist einigermaßen unwahrscheinlich.

Der amtierende deutsche Innenminister dürfte sich jedenfalls derzeit einigermaßen ungerecht eingeschätzt und behandelt fühlen. Erhielt er doch vom Polittbüro, einer Art Kabarett am Hamburger Steindamm, den Negativpreis »Abschiebeminister 2010« verliehen. Zurückzuführen ist dieser wenig rühmliche Preis auf seine Politik der Abschiebung nach Griechenland. Kritiker wie die Organisation »Jugendliche Ohne Grenzen« (JOG) weisen vehement darauf hin, dass Deutschlands oberster Polizist entgegen einer unklaren Rechtslage griechische Flüchtlinge durch die Bundespolizei abschieben lässt, von denen viele weder einen Anwalt noch die Möglichkeit haben, sich auch nur im Ansatz dagegen zu wehren. Einem deutschen Innenminister, dem Argument kann man wohl zustimmen, würde es also gut zu Gesicht stehen, mehr Fingerspitzengefühl und Sinn für Humanität zu beweisen.

Dass das de Maizière anders sieht, steht auf einem ganz anderen Blatt. Dabei hätte er doch ein kleines Lob verdient. Hat sich doch die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder auf ihrer Herbsttagung in Hamburg, an der de Maizière teilgenommen hat, dafür ausgesprochen »…gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden eine eigene gesicherte Aufenthaltsperspektive (in Deutschland) zu eröffnen.« Mehr noch: Auch deren Eltern können ein Aufenthaltsrecht erhalten, wenn sie ausreichende Integrationsleistungen erbracht haben und den Lebensunterhalt ihrer Familie überwiegend sichern können, so aus der Verlautbarung der Konferenz. Außerdem sollen neue Rechtsgrundlagen im Aufenthaltsgesetz und in der Integrationskursverordnung für klare Verhältnisse im Datenabtausch zwischen allen beteiligten Seiten wie Kurs- und Sozialleistungsträgern sowie Ausländerbehörden sorgen. Integrationsverweigerern soll mit ausländerrechtlichen Sanktionsinstrumenten beigekommen und die Pflicht zur Teilnahme an Integrationskursen konsequent durchgesetzt werden.

Nahezu unisono wird das als guter Anfang in dieser oft und kontrovers geführten Debatte gewertet. Allerdings sei die Einführung des Bleiberechts für Jugendliche nicht genug, sondern nur eine »halbgare Lösung«, wie JOG meint. Es kann beispielsweise nicht akzeptiert werden, dass Jugendliche bleiben, ihre Eltern aber abgeschoben werden könnten. Arzijana Abdulahi von JOG: »Wir sind Menschen und keine Wirtschaftsfaktoren.« Auch für alte oder kranke Menschen, die nicht in der Lage sind, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, müsse es eine Perspektive in Deutschland geben. Die Integration darf in diesem Sinne nicht nach wirtschaftlicher Nützlichkeit bemessen werden, sondern gleiche Rechte für alle seien die Lösung.

Auch die Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag spricht sich in ähnlicher Weise aus, die menschenunwürdige Praxis der Duldung zu beenden, die unter anderem mit Arbeitsverbot, ständiger Angst vor Abschiebung und reduzierten Sozialleistungen verbunden ist. Ulla Jelpke (MdB Die Linke) Anfang Dezember im Deutschen Bundestag: »Die von der Koalition eingebrachte kleinmütige (Teil-) Lösung und das Aufenthaltsrecht auf Probe sind für die Betroffenen unzumutbar.« Auch die IMK habe bis dato überhaupt keine wirkliche Lösung beispielsweise in der sogenannten Kettenduldung gefunden, die es endlich zu beenden gilt. Um den Bogen zu Innenminister de Maizière zu schließen: Der hat übrigens die Chance, sich sozusagen zu bewähren. JOG würde nämlich auch gern den Preis für den besten Innenminister vergeben.

Wenn der Bundesminister also dem Bundestag ein »echtes Bleiberecht für alle« vorlegt, würde man das gern honorieren, meint Arzijana Abdulahi. Vielleicht beherzigt der ja die Botschaft und kommt so auf dem Umweg der Bewährung doch noch zu kleinen Ehren.