NPD-Verbot ist überfällig

geschrieben von Mit Annelie Buntenbach sprach Hans Canjé

5. September 2013

antifa-Gespräch mit DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach

März-April 2007

Annelie Buntenbach wurde auf dem DGB-Bundeskongress am 23. Mai 2006 im ersten Wahlgang in den Geschäftsführenden Vorstand des DGB gewählt. Sie gehörte von 1994 bis September 2002 der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen an. Aus Protest gegen die Zustimmung ihrer Fraktion zum völker- und grundgesetzwidrigen Angriff auf Jugoslawien verzichtete die engagierte Antifaschistin und Gewerkschafterin 2002 »freiwillig und nicht von der Politik gezwungen« auf eine neuerliche Kandidatur für den Bundestag. 1984 war sie in Bielefeld maßgeblich an der Gründung des Vereins »Argumente und mehr gegen Rechts« beteiligt. Sie ist seit 2006 Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats von Attac Deutschland

antifa: Ende Januar 2007 hat sich der Bundesvorstand des DGB in einer Klausurtagung ausführlich mit dem Thema Bekämpfung des Rechtsextremismus und Rassismus beschäftigt. Eine Studie von Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin und jüngst erst eine Veröffentlichung der Friedrich-Ebert-Stiftung haben nachgewiesen, dass auch die Gewerkschaften nicht gefeit sind vor Rechten in den eigenen Reihen, anfällig sind für rechtsextreme Propaganda. Welche Schlüsse hat die Klausur des Bundesvorstandes für die Arbeit des DGB gezogen?

Annelie Buntenbach: Die erstgenannte Studie hatten wir als Gewerkschaft ja selbst in Auftrag gegeben, weil wir uns dieses Problems wohl bewusst sind. Die Gewerkschaften sind traditionell sehr aktiv im Kampf gegen Rechts. Sie müssen -diese Auseinandersetzung aber auch in den eigenen Reihen führen. Das hat uns auch die Studie der FU- Berlin noch einmal deutlich gemacht. Wir sind im Ergebnis der Klausur dabei, zur Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus zusammen mit den Einzelgewerkschaften unser Arbeitsprogramm zu aktualisieren. Dabei ist eines unserer Ziele, den Aktionsradius von Neonazis soweit wie möglich zu begrenzen. Das heißt, sich verstärkt mit rechtsextremen Organisationen auseinander zu setzen. Dazu gehört, dass wir auch ein Verbot der NPD für richtig und notwendig halten.

antifa: Eine Forderung, die immer lauter wird. Am 25. Januar, zum Gedenktag für alle Opfer der faschistischen Herrschaft, hat die VVN-BdA die Kampagne »NPD-Verbot jetzt!« eröffnet. Zahlreiche Prominente, darunter der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten Franz-Josef Möllenberg sowie die Schauspieler Hannelore Elsner und Peter Sodann, um nur einige zu nennen, unterzeichneten einen Brief an die Abgeordneten des Bundestages, in dem diese aufgefordert werden, ein neues Verfahren zum Verbot der NPD einzuleiten.

Buntenbach: Wir halten, wie gesagt, das NPD-Verbot für notwendig und überfällig. Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass rassistische und antisemitische Nazipositionen auch noch mit Steuergeldern finanziert werden und unter dem Schutz des Parteiprivilegs stehen. Bevor ein Verbot wieder auf den Weg gebracht wird, muss allerdings klar sein, dass wir nicht wieder ein Scheitern riskieren. Ein neues Verfahren muß hieb- und stichfest sein.

antifa: Das damalige Scheitern hatte ja nichts damit zu tun, dass die NPD keine verfassungswidrige Partei ist, die verboten gehört.

Buntenbach: Es hat sich auf das Verfahren bezogen. Bei vielen Bürgern ist dadurch aber der Eindruck erweckt worden, es sei alles legal, was die NPD betreibt. Was natürlich nicht stimmt. Bei der NPD hat es andererseits ein noch viel dreisteres Auftreten ausgelöst und bewirkt, dass sie ohne Furcht vor einem Verbot den Schulterschluss mit den militanten Rechtsextremen sucht, der Auftritt z. B. von rechten »Kameradschaften« bei der NPD weiter zugenommen hat.

antifa: … mit einem Verbot der NPD allein ist die Rechtsentwicklung bis weit in die Mitte der Gesellschaft nicht beseitigt …

Buntenbach: Das zu glauben, wäre ein großer Fehler. Rechtsextremismus ist weder ein »Randproblem« in der Gesellschaft noch ein auf den Osten beschränktes oder ein »vorübergehendes Phänomen«. Die Weichen für die Zunahme des Rechtsextremismus werden in der Mitte der Gesellschaft gestellt. Hier ist besonders bedrückend, wie die Politik immer wieder an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbei geht, mit der Rente mit 67, mit der Gesundheitsreform, mit immer höheren Belastungen und sozialer Ausgrenzung. Dadurch wenden sich die Menschen, weil sie sich nicht mehr vertreten fühlen, immer mehr ab. Diese Politikerverdrossenheit versuchen die Neonazis für sich zu nutzen. Hier halten wir gegen, indem wir auf demokratische Einmischung setzen – aber eben auch auf eine Veränderung der Politik, die die Lebenswirklicht und die Interessen der Menschen wieder zur Kenntnis und ernst nimmt.

antifa: Kommen wir zurück zu den Ergebnissen der Klausur. Es wurde also die Notwendigkeit der konsequenten Auseinandersetzung mit Rechts bekräftig im Sinne des Beschlusses »Rechtsextremismus nicht länger verdrängen und verharmlosen« den der DGB-Bundeskongress 2006 gefasst hat?

Buntenbach: Ja. Für uns gehört die Intensivierung dieser Auseinandersetzung, eingeschlossen ein Verbot aller dieser Parteien und Organisationen, zur Einschränkung des Aktionsradius des Rechtsextremismus. Gleichzeitig wollen wir die Organisationen der Zivilgesellschaften, die sich mit der Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus und Gewalt auseinandersetzen, stärken. Das gilt für unsere eigene Reihen und die gesamte Gesellschaft. Hier bedarf es einer Zusammenarbeit und Koordinierung, eines Bündnisses mit den unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Kräften in unserem Land. In diesem Zusammenhang geht es auch um den Schutz der Opfer von rechtsextremer Gewalt.

antifa: Was heißt das konkret in der Praxis der gewerkschaftlichen Arbeit auch in den Betrieben?

Buntenbach: Wir wollen die Ursachen für rechtsextreme Entwicklungen bekämpfen, die Integrationskraft der Gesellschaft stärken. Diese Gesellschaft darf nicht immer weiter auseinanderdriften, immer mehr Menschen ausgrenzen. Wir wollen der extremen Rechten keinen öffentlichen Raum überlassen, das heißt, auch Aufmärsche von Rechtsextremen, wo immer wir können, zu verhindern. Von Bedeutung ist die verstärkte Auseinandersetzung vor allem mit der rechtsextremen Sozialdemagogie. Wir erleben ja immer, wie Neonazis versuchen, sich in Sozialproteste einzumischen, sich als Schwertspitze im sozialen Kampf darzustellen. Dazu wollen wir mit Analysen, wie die Sozialdemagogie funktioniert, unseren Mitgliedern und einer breiten Öffentlichkeit Argumente an die Hand geben. Es gibt übrigens schon eine ganze Reihe Erfolgen durch Betriebsvereinbarungen z.B. rechtsextremes, rassistisches Verhalten im Betriebsalltag zu verhindern. Wir werden diese betrieblichen Aktivitäten ausdehnen. Das heißt auch, die gewerkschaftliche Bildung unserer Mitglieder und Funktionäre zu verstärken.

antifa: Die nächste Gelegenheit, sich mit der sozialen Demagogie der Neonazis auseinander zu setzen, dürfte der 1. Mai bieten, der nach allen Ankündigungen, vor allem von der NPD und ihrem Umfeld, mit verbalen Losungen wie »Global angreifen, Kapitalismus angreifen« zum »nationalen Großkampftag der Arbeit« erklärt worden ist. Bei den angekündigten Aufmärschen ist sicher Gelegenheit, dass der DGB Gesicht zeigt?

Buntenbach: Das werden wir auch. Ich weiß, dass die extreme Rechte dafür etwa in Dortmund und anderen Städten mobilisiert. Wo solche Aufmärsche in der Vergangenheit stattfanden, haben sich die Gewerkschaften immer schon dem entgegengestellt und Bündnisse dazu geschmiedet. Die NPD versucht seit langem schon, die Themen und Räume der Gewerkschaften und der Linken zu besetzen, unsere historischen Gedenktage zu okkupieren. Diese Versuche, sich als Verfechter der sozialen Frage aufzuspielen, können und werden wir weder den Kameradschaften noch der NPD, die eine echte Gefahr für die Demokratie sind, durchgehen lassen. Wobei sie dieses soziale Thema nur benutzen wollen für die Durchsetzung ihrer nationalistischen Ideologie und ihrer »Volksgemeinschaft«, in der, wie in der NS-Zeit, die Arbeitenden völlig entrechtet waren und für Migranten und für alle, die aus ihrer Sicht nicht zu dieser »Volksgemeinschaft« gehören, kein Platz ist.

Wir werden ihnen diesen Raum für ihre Sozialdemagogie nicht überlassen. Das sind wir auch unserer Geschichte schuldig, schließlich sind die Gewerkschaften 1933 von den Nazis zerschlagen worden. Unter den zahllosen Opfern des Nationalsozialismus waren auch viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter. Das vergessen wir nicht.