Wenn der VS erzählt

geschrieben von Bernd Kant

5. September 2013

»Erkenntnisse« über eine Gingold-Lesung

Jan.-Feb. 2013

Ein führender NPD-Funktionär, der Erfurter NPD-Vorsitzende Kai-Uwe Trinkaus, war 2007 nicht nur als V-Mann für den Verfassungsschutz tätig, er hat zur gleichen Zeit als V-Mann auch einen anderen Neonazi verdeckt in die Landtagsfraktion der Linkspartei und in die SPD-Jusos eingeschleust.

Mit den Stimmen der Linken, SPD und Grünen beschloss der Thüringer Landtag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung des Ausmaßes und der Hintergründe dieses Skandals.

Silvia Gingold, die Tochter des jüdischen Kommunisten und Antifaschisten Peter Gingold, die in den 70er Jahren Berufsverbot in Hessen hatte, richtete ein Auskunftsersuchen an das hessische Innenministerium, welche »Erkenntnisse« über sie noch beim hessischen Landesamt für Verfassungsschutz gespeichert seien – insbesondere aus den Jahren 1974 bis 1977. Am 8. November 2012 erhielt sie von der Datenschutzbeauftragten Frau Dr. Karrenberg die verblüffende Antwort, dass angeblich die früher gesammelten Daten gelöscht seien, sie aber seit 2009 erneut unter der Rubrik »Linksextremismus« gespeichert sei.

Die »Erkenntnisse« der Schlapphüte: Erstens sei sie im Rahmen der GegenBuchMesse, einer anerkannten Veranstaltungsreihe parallel zur Frankfurter Buchmesse, »für die Vorstellung der Autobiographie von Peter Gingold als Referentin angekündigt« worden. Das verwerfliche an diesem Termin war offensichtlich, dass er im Cafe Exzess – als »autonomer Szenetreff« angeblich ein Hort des Extremismus – stattfand. Zweitens sei sie am 28. Januar 2012, dem 40. Jahrestag des sogenannten »Radikalenerlasses« als Rednerin über ihren Fall auf einer Kundgebung in Frankfurt/ Main angekündigt worden.

Auf beiden Veranstaltungen hat Silvia Gingold tatsächlich gesprochen. Was an diesen beiden Veranstaltungen jedoch »linksextremistisch« gewesen sein soll, vermochte die Datenschutzbeauftragte des hessischen Verfassungsschutzes leider nicht zu erklären. Dieser skandalöse Vorgang unterstreicht einmal mehr: eine solche Institution ist überflüssig wie ein Kropf. Ein »Schutz der Verfassung« geht von diesem Laden nicht aus. Er gehört so schnell wie möglich abgewickelt.