Zugänge zur Geschichte

geschrieben von Ulrich Schneider

5. September 2013

Perspektiven der Vermittlung antifaschistischen Widerstandes

Mai-Juni 2007

In dem Grußwort der VVN-BdA an die Tagung hieß es: Der Studienkreis deutscher Widerstand ist und bleibt eine unverzichtbare Institution für die Bewahrung der Erinnerung an die Frauen und Männer aus Widerstand und Verfolgung sowie ein Ort der selbsttätigen Geschichtsarbeit für nachgeborene Generationen.

Exakt 60 Jahre nach der Gründung der VVN und 40 Jahre nach der Gründung des Studienkreises deutscher Widerstand trafen mehr als 150 Teilnehmende aus Schulen, der antifaschistischen Geschichtsarbeit, Pädagogik und Wissenschaft, sowie gesellschaftlicher Organisationen am 17./ 18. März 2007 in Frankfurt/Main zusammen, um über den Stand der Widerstandsforschung und über Perspektiven der Vermittlung der Geschichte des antifaschistischen Widerstands zu beraten.

1967 hatten Vertreter der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), unter ihnen Oskar Müller, Martin Niemöller, Max Oppenheimer, Josef C. Rossaint und Robert Scholl, mit Pädagogen, Wissenschaftlern und Publizisten wie Wolfgang Abendroth, Walter Fabian, Heinz-Joachim Heydorn, Arno Klönne und Günther Weisenborn zu einer Schulbuchkonferenz zum deutschen Widerstand 1933 – 1945 eingeladen. Auch 2007 war die Referentenliste nicht minder prominent, beginnend mit Hans Coppi, Henny Dreifuss, Ernst Grube, Hannes Heer, Arno Klönne, Dietfried Krause-Vilmar, Falk Pingel, Trude Simonsohn, Martin Stöhr oder Jörg Wollenberg. Diese Liste unterstreicht die inhaltliche und politische Breite der Beschäftigung mit der Thematik.

Doch anders als vor 40 Jahren war die Zahl der Zeitzeugen aus der Widerstandsgeneration verschwindend gering. Einer fehlte erkennbar. Die Tagung fand „In memoriam Peter Gingold“ statt. Sein Tod im Herbst 2006 unterstrich die Notwendigkeit, dass die Zeugen der Zeugen zukünftig die Aufgabe der Geschichtsvermittlung selbst übernehmen müssen.

Arno Klönne erinnerte an die geschichtspolitischen Bedingungen vor 40 Jahren und wies in seinem Text auf die Folgen staatlicher Geschichtsrevision für die Aufarbeitung des Widerstands hin. Wer „Nie wieder Auschwitz“ zur politischen Legitimation von Kriegseinsätzen nutzt, konterkariere das Vermächtnis des Widerstands.

Falk Pingel skizzierte die heutige Darstellung des Widerstands in Schulbüchern für die Sekundarstufe I und Thomas Altmeyer lieferte einen kursorischen Überblick über die Geschichte der Forschung zum antifaschistischen Widerstand in der BRD und der DDR und formulierte Ansätze für zukünftige Forschungsaufgaben.

Beide Referate lösten engagierte Diskussionen aus, an denen sich besonders Praktiker (Lehrkräfte und Historiker) mit ihren eigenen Erfahrungen aus der antifaschistischen Geschichtsarbeit beteiligten. Es konnte nicht überraschen, dass auch über den Umgang mit der Widerstandsforschung der DDR und deren Nutzung für die zukünftige Forschungs- und Vermittlungsarbeit lebhaft diskutiert wurde.

In den weiteren Beiträgen und Diskussionen ging es um Zugänge zur Geschichtsvermittlung für die Zeit nach den Zeitzeugen. Es ging um den medialen Umgang mit der faschistischen Vergangenheit („Knoppisierung von Geschichte“), die Frage, ob Menschenrechtserziehung eine antifaschistische Perspektive sei, welche Zugänge zu einem Verständnis von Geschichte der Rettungswiderstand bieten könne und wie die Verortung von Geschichte („Spurensuche“) einen Zugang für Nachgeborene ermögliche.

Am Ende stand eine Podiumsdebatte mit Zeitzeugen unter dem Titel“Wenn wir weg sind, ist alles nur noch Geschichte“. Doch die Gesprächspartner konnten deutlich machen, wie viel von dem, was sie in Schulen, Jugendgruppen und antifaschistischen Verbänden an Aufklärungsarbeit geleistet haben, auch weiterhin für die Geschichtsarbeit wirken wird.

Von verschiedenen Referenten wurden Themen zukünftiger Widerstandsforschung benannt. Dazu gehören der Rettungswiderstand verschiedener Verfolgtengruppen, der Widerstand in den Lagern und die europäische Dimension des Widerstands vom spanischen Bürgerkrieg bis zu den internationalen Partisanengruppen in verschiedenen Ländern Europas.