Gegendruck entwickeln

geschrieben von Markus Roth

6. März 2016

Die Geflüchteten verteidigen und den Rechtsruck bekämpfen

Wer die politischen Debatten um die Aufnahme von Flüchtlingen und die Militarisierung der EU-Außengrenzen verfolgt – oder sich gar selbst zu Wort meldet, neigt zum Verzweifeln. Die Marschrichtung ist derart festgelegt und offenbar breit akzeptiert, dass sich, wie zu Zeiten des Burgfriedens, kaum daran rütteln lässt. Was können Antifaschisten und Antifaschistinnen gegen das Sterben an den Grenzen und die Entrechtung der rund eine Millionen Flüchtlinge hierzulande noch ausrichten?

Weiter Helfen und den Notstand hinterfragen

Es bedurfte keiner größeren Abstimmung um sich kollektiv auf ein De-Humanisierungs- und Re-Nationalisierungsprogramm zu einigen. Die sowieso schon eher bescheidenen Errungenschaften der Flüchtlingsproteste seit 2012 – Abschaffung der Residenzpflicht, Angleichung der Sozialleistungen an Hartz4-Niveau und Lockerung des Arbeitsverbots – wurden ohne Umstände rückgängig gemacht. Im Windschatten (oder mit Rückendeckung – je nachdem wer gerade wen treibt) der medialen Aufregung um die rassistischen Inszenierungen der Alternative für Deutschland (AfD) und Pegida-Bewegung, hat es die Bundesregierung geschafft, das Asyl- und Ausweisungsrecht mehrfach zu verschärfen. Oft in einem Atemzug gelingt es Politikern wie Sigmar Gabriel (SPD), die Hilfsbereitschaft der deutschen Willkommens-Initiativen zu loben und deren baldige Erschöpfung vorauszusagen. Der offenkundig hergestellte behördliche Notstand, der das massenhaft ehrenamtliche Helfen erst nötig gemacht hat, soll nun im Dienste der Forderung »Die Zahlen müssen sinken« als selbsterfüllende Prophezeiung auf die Helferinnen und Helfer übertragen werden. Der Druck auf sie wird in den nächsten Wochen weiter steigen – spätestens dann, wenn sie die Abschiebung der neuen Mitbürgerinnen und Mitbürger verhindern und deren Teilhabe an der Gesellschaft einfordern wollen. Hier heißt es, ganz konkret, sich gegenseitig den Rücken zu stärken.

Die Fluchtursachen benennen

Gleichzeitig, und auch das ohne viel Aufregung, ist nunmehr neben Frontex auch die Nato unter Führung des deutschen Kreuzers »Bonn« im Mittelmeer auf der Jagd nach Flüchtlingen. Das Sterben an den Grenzen geht derweil unvermindert weiter – allein im Januar 2016 waren es 368 Menschen, die auf dem Weg nach Europa starben. Die Europäische Union und deren Anrainer sind sich grob darüber einig, was das Ziel der Zusammenarbeit anbetrifft: Die Dynamik der Migration muss wieder kontrollierbarer werden. Doch solang sich an den Regional- und Stellvertreterkriegen im Nahen und Mittleren Osten und den mörderischen Handelsbeziehungen zwischen Europa und den afrikanischen Ländern nichts ändert, wird auch die hiesige Anti-Migrationspolitik keinen Erfolg haben. Immer wieder werden sich Menschen auf den Weg machen, wenn vor den Fluchtursachen die Augen verschlossen bleiben und deutsche Firmen am Krieg und dem Niederhandeln profitieren. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Denn wer es sich auf der heimischen Scholle eingerichtet hat, mag sich die Welt »da draußen« und die blutigen Bezüge zum eigenen Wohlstand kaum mehr vorstellen.

Den Rechtsruck bekämpfen

Angesichts dieser Lage ist es wenig ergiebig, sich über die AfD und deren Forderung nach dem finalen Grenzschuss zu echauffieren. Dennoch ist die Partei als angreifbares Paradebeispiel des gesellschaftlichen Rechtsrucks ein wichtiges Thema im Wahljahr 2016. Denn sich wieder nur auf NPD, ProDeutschland und Die Rechte zu konzentrieren, wäre der aktuellen Lage nicht angemessen. Der Parlamentseinzug einer Partei rechts von der CDU muss antifaschistischen Widerspruch erfahren! Doch so richtig scheint die breite Bewegung gegen AfD und Wutbürger nicht in Gang zu kommen. Ein Grund dürfte sein, dass schon seit Jahren versucht wird, sich auf eine Analyse der AfD und ihres Anhängsels Pegida zu einigen – leider zum Teil auch, indem ihre aggressive Idiotie durch hineininterpretierte Motive rationalisiert wird, die Spurenelemente der sozialen Frage beinhalten. Warum sie nicht mit ihrem offen formulierten Rassismus, dem Sozialchauvinismus und Nationalismus ernst nehmen? Der Zusammenhang zwischen ihrer Hetze und den Anschlägen und Angriffen auf Flüchtlinge ist gegeben. Auch personell spricht nach dem Rauswurf des Wirtschafts-Flügels aus der AfD im Sommer 2015 alles für eine klarere Ausrichtung. Das muss sich nun auch im Umgang mit der Partei niederschlagen. Dazu braucht es nicht zwingend die kleinteilige Sezierung der Partei und ihrer Hintergründe. Es ist ganz einfach: Wer die AfD wählt, wählt das Pogrom.