Wir können nicht so sein

geschrieben von Thomas Willms

5. September 2013

Der Judenmord als unterschwelliges Thema des Science Fiction Films

Jan.-Feb. 2012

Zum Weiterlesen und -schauen:

Florian Evers: Vexierbilder des Holocaust. Ein Versuch zum historischen Trauma in der Populärkultur, 2011, 178 Seiten, 19,90 Euro

Moshe Zuckermann: Zweierlei Holocaust. Der Holocaust in den politischen Kulturen Israels und Deutschlands, 2004 181 Seiten, 20,00 Euro

Battlestar Galactica, 75 Folgen in 4 Staffeln, 3500 Minuten, 2003-2009

Battlestar Galactica and Philosophy: Knowledge Here Begins Out There (Blackwell Philosophy & Pop Culture), 2008, 288 Seiten, ca. 18 Euro

Bezüge auf die nazistischen Massenverbrechen sind im Horror- und Fantasy-Genre des Films mittlerweile gängig. Besonders aufschlussreich ist aber die Thematisierung in Science Fiction-Filmen der letzten Jahrzehnte.

Eines der typischen, ja durch »Der Krieg der Welten« von H.G. Wells (1898), sogar begründenden und in unzähligen Varianten erzählten Themen des Science Fiction ist das des Kampfes der Maschinen gegen die Menschen. Genauer gesagt, des Überfalls der Maschinen auf die Menschen, ihre Unterdrückung, Versklavung und Ausrottung. Hier machen sich seit jeher Kriegs-, Untergangs- und Atomangst Luft.

Exemplarisch für die Thematisierung der Ausrottungsangst ist die vierteilige »Terminator«-Reihe (1984 – 2009) mit Arnold Schwarzenegger als aus der Zukunft zurückgekehrtes (beinahe) unzerstörbares Maschinenmonster. Die Analogie zum Judenmord wird bereits im ersten Teil deutlich ausgesprochen: »Einige von uns wurden am Leben gehalten, um zu arbeiten. Um die Leichen zu verladen. Die Vorrichtungen, um die Körper zu entsorgen, wurden Tag und Nacht betrieben.« lautet eine entscheidende Zeile einer der menschlichen Figuren. Die Identifikation mit den Opfern ist scheinbar eine vollständige, der Judenmord wird als Angriff auf den Menschen als Spezies gedeutet. Zwar werden die aus den KZs bekannten Symbole (geschorene Köpfe, Tätowierungen, Kolonnen) zitiert und auf die Menschen bezogen verwendet, ihre von der Täterseite her implizierte Bedeutung (»Ihr seid keine Menschen mehr!«) aber verweigert. Die Verdinglichung des Menschen, die doch der Kern der Situation ist, wird nur behauptet, aber nicht dargestellt und thematisiert. Die Hilflosigkeit der Opfer wird sofort verdrängt durch die Darstellung von Widerstand, durch Kampf; erfolgreichen, versteht sich. Dies ändert sich erst im letzten Teil, der fast eine Generation später gedreht wurde. Die Vernichtungsstätten-Analogien nehmen weiten Raum ein, werden aber durch die exzessiven Kampfszenen und natürlich den Sieg des Guten beschwichtigt.

In der Terminator-Reihe und im ganzen Genre wird der Entwertungsvorgang umgedreht. Es sind grundsätzlich die Täter, die verdinglicht werden. Wer so etwas tut, kann kein Mensch, sondern muss eine Maschine, ein Roboter sein, so die Grundthese. Diese Interpretation bringt viele Vorteile mit sich: Das Tatmotiv ist kein menschliches mehr, es ist nicht zu suchen im Tun und Lassen der Zivilisation. Man kann sie außerdem bedenkenlos und ohne Moralprobleme töten bzw. zerstören, denn Menschen sind es ja nicht. Und vor allem: es besteht keine Gefahr, ihnen ähnlich zu werden. Es ist per se ausgeschlossen, selbst zum Auslöscher zu werden.

Das scheinbar klare dichotome Verhältnis von Maschinen und Menschen (Tätern und Opfern) wird in Terminator, aber auch in vielen anderen Werken dadurch verunsichert, dass die Maschinen ursprünglich von Menschen gemacht worden sind. Die Gewalttätigkeit war ihnen durchaus einprogrammiert, sie war gewollt, ist aber außer Kontrolle geraten, so ein Standard-Topos.

Diese das eigentlich Furchtbare eher verdrängenden und Ersatzsiegen nachjagenden Szenarien wurden in einer neueren Produktion grundsätzlich durchdacht: dem Relaunch der Serie »Battlestar Galactica« (2003-2009). Während das Original von 1978 sich noch an den skizzierten Rahmen hielt, thematisiert die neue Serie neben vielen anderen politischen Problemen insbesondere die Frage der Menschlichkeit der Täter. Auch hier ist der Ausgangspunkt der Überfall von Maschinen (Cylons) auf die von Menschen besiedelten Planeten. Was den durchs All fliehenden Menschenkonvoi aber am meisten beunruhigt ist, dass einige ihrer Verfolger wie Menschen aussehen und als Schläfer und Infiltratoren eingesetzt werden. War die Infiltratorenproblematik bei Terminator noch einfach gelöst (ein metallischer Roboter mit menschlichem Gewebe getarnt), sind die in der menschlichen Gemeinschaft aktiven Cylons vom Menschen kaum zu unterscheiden, ja sie halten sich selbst für solche, bis sie »aktiviert« werden. Das einzige was sie nicht können, ist sich fortzupflanzen, »Liebe« zu machen. Sie entstammen Baureihen und »kaputte« Exemplare können durch baugleiche ersetzt werden, auf die aber die Erfahrungen vorheriger übertragen werden. Ihr vollständiger Tod kann nur durch Zerstörung ihres Mutterschiffes erreicht werden, ein Akt vor dem die Menschen wiederum zurückschrecken, weil diese Cylons ihnen einfach zu ähnlich sind.