»Verständiges Publikum«

geschrieben von Ernst Antoni

5. September 2013

Braunes Heldengedenken und ein aktuelles Gerichtsurteil dazu

Jan.-Feb. 2011

»Selbst wenn es zutreffen sollte, dass der Veranstalter mit dem ‚Heldengedenktag‘ eine nationalsozialistische Gedenkfeier habe nachempfinden wollen, könne darin allein keine Billigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft gesehen werden.« So steht es in einer Pressmitteilung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (BayVGH) vom 7. Dezember 2010

Mit einem Beschluss des BayVGH vom 3. Dezember wurde ein Urteil des Verwaltungsgerichts München bestätigt: Ein von den Behörden der Landeshauptstadt verfügtes Verbot eines von Neonazis angemeldeten »Heldengedenkmarsches« sei rechtswidrig gewesen.

Mit dem braunen »Heldengedenken« am »Volkstrauertag« im November knüpfen Nazis seit einigen Jahren an Traditionen an. 1926 als militaristisch grundierter, von der »Kriegsgräberfürsorge« organisierter Erinnerungstag an die deutschen Gefallenen des Ersten Weltkriegs eingeführt, machte das NS-Regime 1934 aus der »Volkstrauer« den staatlichen »Heldengedenktag«. Es gab Aufmärsche von Wehrmacht und NSDAP, glorifiziert wurde der Soldatentod »für Führer, Volk und Vaterland«. Ab 1952 beging man in der BRD dann wieder den »Volkstrauertag«, bis heute gerne mit Bundeswehr, Veteranen und Reservisten.

Mit konkretem Bezug auf das NS-«Heldengedenken« nutzen seit einiger Zeit Neonazis diesen Tag: als besonderes Signal im geschichtsträchtigen November und gerne in der einstigen »Hauptstadt der Bewegung«. Nicht nur Behördenvertreter und Kommunalpolitiker dort hatten geglaubt, dass solche verfassungswidrigen Provokationen durch einfache Verwaltungsakte zu unterbinden sein müssten.

Weit gefehlt. Mit Bezug auf eine Bundesverfassungsgerichts-Entscheidung zu Heß-Aufmärschen heißt es nun, ein Versammlungsverbot setze voraus, »dass die für das NS-Regime kennzeichnenden Menschenrechtsverletzungen und damit die geschichtlich realen Willkürakte von verbrecherischer Qualität bei der Veranstaltung gutgeheißen würden«. Zwar ginge es bei dem »Heldengedenkmarsch« um eine »Verherrlichung der deutschen Soldaten (…) wie sie für das NS-Regime typisch gewesen sei«. Aber: »Eine Billigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft im Ganzen« sei »aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums nicht ohne weiteres verbunden.«